"… 1. Zutreffend geht die Kl. davon aus, dass eine vorsätzliche Verletzung ihrer Aufklärungsobliegenheit gem.E.1.1.3 AKB 2015 den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die gesetzlich erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen und die dabei gesetzlich erforderliche Wartezeit zu beachten (Unfallflucht), voraussetzt, dass die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 142 Abs. 1 StGB vorliegen müssen. Eine lediglich “versuchte Obliegenheitsverletzung' ist sanktionslos."

2. Die Kl. hat allerdings bereits nach ihrem eigenen Sachvortrag nicht die gesetzlich erforderliche Wartezeit eingehalten.

a) Eine Wartepflicht besteht aufgrund des Schutzzwecks von § 142 StGB von vorneherein dann nicht, wenn lediglich ein völlig belangloser Schaden vorliegt; dies ist dann der Fall, wenn Schadensersatzansprüche üblicherweise nicht gestellt werden. Maßgebend ist der objektive Verkehrswert nach dem Eindruck zur Tatzeit unter Berücksichtigung gewöhnlicher Reparaturkosten (OLG Hamm VRS 61, 430; KG VRS 63, 349). Die Grenze der Belanglosigkeit liegt im Bereich zwischen 20 EUR (OLG Jena, Beschl. v. 7.7.2005 – 1 Ss 161/04, Rn 6, juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.12.1996 – 5 Ss 348/96 – 103/96 I, juris) und 50 EUR (OLG Nürnberg, Beschl. v. 24.1.2007 – 2 St OLG Ss 300/06, Rn 19, juris).

Diese Grenze ist hier überschritten. Aus den Lichtbildern, die Teil des von der Bekl. vorgelegten Gutachtens der D vom 25.7.2016 sind, ist deutlich ersichtlich, dass die Warnbake nicht lediglich völlig unerheblich, sondern spürbar in ihrer Substanz beschädigt wurde. Die Warnbake wurde durch den Unfall nicht lediglich verdreht, sondern auch deutlich verbogen. Da die Lichtbilder mehrere Monate nach dem angeblichen Unfall aufgenommen wurden und die Warnbake wieder richtig ausgerichtet stand, spricht alles dafür, dass ein Versuch eines Zurechtbiegens – der Ehemann der Kl. soll das Verkehrsschild ein oder zwei Tage später geradegebogen haben – jedenfalls nicht in vollem Umfang erfolgreich war, so dass es gerade nicht damit getan war, um das Schild wieder ordnungsgemäß zu reparieren. Dies kann letztlich offenbleiben, da auch die Fläche des Warnschildes durch den Unfall in ihrer Substanz beschädigt wurde, wie die deutlich sichtbaren Streifen insbesondere im roten Bereich zeigen. Dass diese Beschädigungen durch den Unfall mit dem Pkw der Kl. entstanden sind, steht angesichts der roten Streifen an ihrem Pkw mit hinreichender Sicherheit fest. Aufgrund dieses Farbauftrags auf dem Fahrzeug der Kl. steht auch fest, dass es sich nicht lediglich um Dreck oder eine Verschmutzung handelt, da der Farbauftrag am Fahrzeug der Kl. vom Verkehrsschild kommen und dort abgeschliffen sein muss. Damit ist letztlich ein Austausch des Schildes erforderlich, um den Schaden vollständig zu beseitigen. Ein solcher Austausch verursacht Kosten, die jedenfalls höher als 50 EUR sind. Abgesehen von den bloßen Materialkosten (…) sind auch noch Kosten für die Arbeitszeit zu berücksichtigen.

Dem steht nicht entgegen, dass die Wirtschaftsbetriebe D auf weitere Maßnahmen gegenüber der Kl. verzichtet haben. Für die Wirtschaftsbetriebe mag der Aufwand schlicht zu groß gewesen sein, um einen Anspruch zu verfolgen, zumal nicht ausgeschlossen ist, dass das Schild in seinem Zustand belassen wird. Dies ändert aber nichts daran, dass das Schild beschädigt wurde. Es mag – nach Ansicht der Wirtschaftsbetriebe – weiterhin seinem Zweck dienen und auch im beschädigten Zustand ausreichen, jedoch verbleibt es dabei, dass die Kl. auch nach ihrem Vortrag einen Schaden verursacht hat, durch dessen Beseitigung gegebenenfalls Kosten i.H.v. mehr als 50 EUR entstehen würden.

Der Senat verkennt nicht, dass der entstandene Schaden nicht besonders groß gewesen ist. Dies hat, da die Grenze eines völlig belanglosen Schadens überschritten wurde, jedoch lediglich Auswirkungen auf den Umfang der Wartepflicht.

b) Der Umfang der Wartepflicht beurteilt sich nach den Maßstäben der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit (OLG Stuttgart DAR 77, 22) unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalles (…); eine Wartepflicht besteht dann nicht mehr, wenn mit dem Erscheinen feststellungsbereiter Personen am Unfallort nicht gerechnet werden kann. Hier wäre angesichts der Örtlichkeit, der Tageszeit und der Schadenshöhe eine Wartezeit von 10 bis 15 Minuten ausreichend, aber auch erforderlich gewesen. Diese Wartezeit hat die Kl. unterschritten, da sie nach ihrem eigenen Vortrag überhaupt nicht gewartet hat, ob feststellungsbereite Personen am Unfallort erscheinen.

c) Unerheblich ist die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die Kl. Gem. § 170 Abs. 2 StPO. Die Einschätzung der Staatsanwaltschaft hat keine Bindungswirkung.

3. Die Feststellungen des LG zu ihrem Verschulden greift die Kl. lediglich dahingehend an, dass fraglich sei, ob sie einen möglichen Fremdschaden überhaupt in Erwägung gezogen habe. Davon ist indes nach aller Lebenserfahrung auszugehen: Bei einem Zusammenstoß mit einem Gegenstand, der das eigene Fahrzeug deutlich sichtbar b...

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