"… Die Berufungen der Parteien sind zulässig. Die Berufung der Kl. ist unbegründet. Die Berufung der Bekl. hat in der Sache teilweise Erfolg."

1. a) Die Klage ist zulässig. Insb. besteht das für das Feststellungsbegehren der Kl. erforderliche Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO. An einem Feststellungsinteresse fehlt es bei einer – vorliegend unstreitig – eingetretenen Primärverletzung nur, wenn bei verständiger Würdigung aus Sicht des Geschädigten kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines (weiteren) Schadens wenigstens zu rechnen (BGH, Beschl. v. 9.1.2007 – VI ZR 133/06, Rn 5 m.w.N., juris). Angesichts der erheblichen Unfallfolgen für die Kl. kann dies vorliegend nicht angenommen werden.

b) In prozessualer Hinsicht ist außerdem zu bemerken, dass das LG zulässigerweise in Form eines Grund- und Teilurteils entschieden hat. Die Voraussetzungen gem. § 304 Abs. 1 ZPO liegen vor, was von den Parteien auch nicht in Frage gestellt wird.

2. Die Kl. hat aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis einen Anspruch gegen den Bekl. zu 1) als Fahrer des unfallbeteiligten Pkw Audi S5 gem. § 18 Abs. 1 S. 1 StVG, gegen den Bekl. zu 2) als dessen Halter nach § 7 Abs. 1 StVG sowie gegen die Bekl. zu 3) als dessen Pflichthaftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG bei einer Haftungsquote von 50:50.

a) Dabei ist nicht davon auszugehen, dass die Kollision für eine der Parteien durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde und deshalb deren (Mit-)Haftung nach § 17 Abs. 3 S. 1 StVG ausgeschlossen ist bzw. dass den Bekl. zu 1) als Fahrzeugführer kein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls trifft und er daher gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG für die Unfallschäden nicht haftet.

aa) Unabwendbar ist ein Ereignis nach § 17 Abs. 3 S. 2 StVG, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Die danach erforderliche äußerste Sorgfalt setzt ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab i.S.v. § 276 BGB hinaus voraus. Verlangt ist eine über den gewöhnlichen Fahrerdurchschnitt erheblich hinausgehende Aufmerksamkeit, Geschicklichkeit und Umsicht sowie geistesgegenwärtiges und sachgemäßes Handeln im Augenblick der Gefahr in den Grenzen des Menschenmöglichen. Der Schädiger soll nur von Schäden freigestellt werden, die sich auch bei vorsichtigem Vorgehen nicht vermeiden lassen (BGH, Urt. v. 18.1.2005 – VI ZR 115/04, Rn 15, juris = DAR 2005, 263; BGH, Urt. v. 23.9.1986 – VI ZR 136/85, Rn 8, juris). Maßgeblich ist nicht das Verhalten eines gedachten “Superfahrers', aber dasjenige eines “Idealfahrers' (BGH, Urt. v. 17.3.1992 – VI ZR 62/91, Rn 10, m.w.N., juris) Die Prüfung der Unabwendbarkeit darf sich dabei nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation untadelig reagiert hat, sondern ist auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein “Idealfahrer' überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre, denn der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr (zu spät) “ideal' verhält (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2005 – VI ZR 68/04, Rn 21, juris; BGH, Urt. v. 17.3.1992 – VI ZR 62/91, Rn 11, juris). Allerdings darf ein Fahrer auch im Rahmen von § 17 Abs. 3 StVG als besonders sorgfältiger Kraftfahrer grds. auf das Unterlassen grober Verstöße durch andere Verkehrsteilnehmer vertrauen, solange keine besonderen Umstände vorliegen, die geeignet sind, dieses Vertrauen zu erschüttern (BGH, Urt. v. 28.5.1985 – VI ZR 258/83, Rn 7, m.w.N., juris).

bb) Die Bekl. berufen sich auf die Haftungsausschlusstatbestände nach §§ 17 Abs. 3, 18 Abs. 1 S. 2 StVG in der Berufung ausdrücklich gar nicht, sie räumen vielmehr – zu Recht – ein, dass der ihnen obliegende Nachweis nicht geführt werde konnte (…).

cc) Soweit die Kl. weiterhin der Ansicht sein sollte, dass der Unfall für sie unabwendbar gewesen ist, hat die landgerichtliche Beweisaufnahme den von ihr anhand des dargestellten Maßstabs zu führenden Nachweis (vgl. BGH, Urt. v. 5.7.1988 – VI ZR 346/87, Rn 11, juris) nicht erbracht.

Zur streitgegenständlichen Kollision kam es – was die Kl. mittlerweile ausdrücklich unstreitig gestellt hat (…) – auf der Gegenfahrbahn im Rahmen eines von ihr durchgeführten Linksabbiegevorgangs. Der Zeuge G spielte bei der Entstehung dieser Kollision keine Rolle. Er befand sich mit seinem Fahrrad – entgegen seiner Einlassung (…), aber in Übereinstimmung mit der Zeugin B – aus Fahrtrichtung der Kl. nicht rechts, sondern links der Fahrbahn. Entgegen der Aussage der Zeugin B (…) wurde er erst nach der Kollision der beiden Pkw durch einen Driftvorgang des Beklagtenfahrzeugs erfasst. Die diesbezüglichen Darlegungen des Sachverständigen Dipl. Ing. H sind plausibel und nachvollziehbar und auch für den Senat überzeugend und werden in der Berufung von keiner Seite in Frage gestellt.

Das LG hat insofern völlig zutreffend ausgeführt, dass der U...

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