BGB § 249 § 252 § 280 Abs. 1 § 634 Nr. 4

Leitsatz

1. Lassen sich bei dem vorübergehenden Entzug der Gebrauchsmöglichkeit eines ausschließlich gewerblich genutzten Fahrzeugs die materiellen Auswirkungen des Ausfalls des Fahrzeugs quantifizieren, kann eine (abstrakte) Nutzungsausfallentschädigung nicht verlangt werden. Das gilt unabhängig davon, ob das ausgefallene Fahrzeug unmittelbar der Gewinnerzielung dient, weil der Ertrag allein mit Transportleistungen erzielt wird, oder nur mittelbar, nämlich zur Unterstützung einer anderen gewerblichen Tätigkeit eingesetzt wird.

2. Der Betriebsbereitschaft eines ausschließlich gewerblich genutzten Fahrzeugs, also seiner ständigen Verfügbarkeit und Einsatzfähigkeit, kommt kein eigenständiger Vermögenswert zu, weshalb der vorübergehende Entzug der Gebrauchsmöglichkeit als solcher kein Schaden ist. Der Geschädigte kann für die Gebrauchsentbehrung – unabhängig vom Eintritt eines Erwerbsschadens oder darüber hinaus – keine (abstrakte oder an den Vorhaltekosten orientierte) Nutzungsausfallentschädigung verlangen.

3. Die Rspr., wonach die infolge eines zum Schadensersatz verpflichtenden Ereignisses entfallende Möglichkeit des Geschädigten, private, eigenwirtschaftlich genutzte Sachen oder Güter plangemäß verwenden oder nutzen zu können, einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen kann, ohne dass hierdurch zusätzliche Kosten entstanden oder Einnahmen entgangen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 9.7.1986 – GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 = ZIP 1986, 1394), ist auf die Nutzung von Sachen oder Gütern, die ausschließlich erwerbswirtschaftlich genutzt werden, nicht übertragbar.

BGH, Urt. v. 6.12.2019 – VI ZR 85/17

1 Aus den Gründen:

"… [1] Der Kl., welcher ein Beton- und Natursteinwerk betreibt, begehrt von der Bekl., einer Nutzfahrzeugwerkstatt, aufgrund eines Werkvertrags Schadensersatz für die Folgen eines Motorschadens an seinem Kipplader mit Kran. Infolge des Motorschadens, der durch eine von der Bekl. mangelhaft durchgeführte Reparatur hervorgerufen wurde, konnte der Kl. das Fahrzeug in der Zeit vom 22.12.2011 bis 21.2.2013 nicht nutzen. Ab dem 9.8.2012 stand ihm ein mit einem Kran nachgerüsteter Ersatzlastkraftwagen zur Verfügung."

[2] Der Kl. hat – soweit für die Revision noch von Bedeutung – u.a. Schadensersatz für den zeitweiligen Verlust der Gebrauchsmöglichkeit des Kippladers mit Kran verlangt. Er hat einen Mehraufwand für Montagearbeiten i.H.v. 1.500 EUR geltend gemacht, der dadurch entstanden sei, dass normalerweise durch den Kran erbrachte Be- und Entladungen von Material sowie Haltearbeiten händisch hätten erfolgen müssen. Einzelne Transporte habe er durch eine Drittfirma durchführen lassen, wofür er 3.600 EUR netto gezahlt habe. Außerdem hat der Kl. eine Nutzungsausfallentschädigung i.H.v. 735 EUR monatlich begehrt (14 × 735 EUR = 10.290 EUR).

[3] Das LG hat dem Kl. Schadensersatz für die Kosten der fremdvergebenen Transportarbeiten abzüglich eines Eigenanteils, insgesamt 3.000 EUR netto, zugesprochen und die Klage hinsichtlich der beiden übrigen Forderungen abgewiesen. Der Mehraufwand für Montagearbeiten sei nicht schlüssig dargelegt.

[4] Die Berufung des Kl. ist erfolglos geblieben. Mit der vom BG hierauf beschränkt zugelassenen Revision verfolgt der Kl. seinen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung i.H.v. 5.512,50 EUR nebst Zinsen für den Zeitraum 22.12.2011 bis 8.8.2012, d.h. für siebeneinhalb Monate zu je 735 EUR netto, weiter. (…)

[8] II. Im Ergebnis zu Recht hat das BG einen Anspruch des Kl. auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung i.H.v. 5.512,50 EUR nebst Zinsen für den Ausfall seines Fahrzeugs in der Zeit vom 22.12.2011 bis 8.8.2012 verneint.

[9] 1. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des BG steht für das Revisionsverfahren fest, dass dem Kl. gegen die Bekl. gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 S. 1, 249 ff. BGB dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der mangelhaft durchgeführten Fahrzeugreparatur zusteht.

[10] 2. Ebenso steht nach den Feststellungen des BG fest, dass der durch den Mangel hervorgerufene, zeitweilige Entzug der Gebrauchsmöglichkeit des Kippladers mit Kran im fraglichen Zeitraum mit einer fühlbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigung einherging, die durch die einzelnen, fremdvergebenen Transporte nicht beseitigt wurde. Der Kl. konnte den Kipplader mit Kran weder für Be- und Entladevorgänge noch als Arbeitsgerät nutzen, sein Ausfall musste durch zusätzliche körperliche Arbeiten der Mitarbeiter kompensiert werden.

[11] 3. Anerkannt ist, dass der vorübergehende Entzug der Gebrauchsmöglichkeit eines ausschließlich gewerblich genutzten Fahrzeugs – als Rechtsfolge sowohl eines deliktischen als auch eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs – einen Schaden darstellen kann, wenn der Ausfall mit einer fühlbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigung einhergeht (vgl. BGH, Beschl. v. 21.1.2014 – VI ZR 366/13, DAR 2014, 144, Rn 1; BGH, Urt. v. 4.12.2007 – VI ZR 241/06, NJW 2008, 913, Rn 10; BGH, Urt. v. 26.3.1985 – VI ZR 267/83, NJW 1985, 2741 = juris Rn 8; vgl. auch grundlegend BGH...

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