"… Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Neulieferung eines mangelfreien VW Golf aus den §§ 439 Abs. 1, 437 Nr. 1, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 433 Abs. 1 BGB."

1. Das von dem Kl. bei der Bekl. mit Kaufvertrag vom 28.1.2015 gekaufte und am 24.4.2015 gelieferte Fahrzeug weist einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auf.

Da die Parteien keine Vereinbarung über die Beschaffenheit der Sache oder deren vertragliche Verwendung getroffen haben, richtet sich das Vorliegen eines Sachmangels nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Demnach ist eine Sache frei von Mängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Unbeachtlich müssen hierbei jedoch die Herstellerangaben im Serviceheft, die einen Toleranzwert von bis zu 0,5 Liter Öl auf 1.000 Kilometer angeben, bleiben. Der Vergleichsmaßstab über die übliche Beschaffenheit ist bei § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB rein objektiv zu bestimmen. Hierbei sind insb. auch Sachen anderer Hersteller einzubeziehen, die denselben Qualitätsmaßstab und denselben Stand der Technik aufweisen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2016,178; BGH NJW 2009, 2056).

Der Ölverbrauch des streitgegenständlichen Fahrzeugs VW Golf beträgt aufgrund der durchgeführten Ölmessung im März 2016 bei einem Kilometerstand von 29.378 unstreitig 0,46 Liter auf 1.000 Kilometern.

Wie der Sachverständige G in seinem schriftlichen Gutachten widerspruchsfrei, plausibel und für das Gericht nachvollziehbar ausgeführt hat, entspricht ein Ölverbrauch von 0,46 I/1.000 Kilometer nicht dem, was bei dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs VW Golf TDI im Vergleich zu Sachen gleicher Art und Güte zu erwarten wäre.

Der Sachverständige führt hierzu aus, dass ein Ölverbrauch von 0,46 Liter auf 1.000 Kilometer dazu führe, dass zwischen zwei Ölwechselintervallen (30.000 Kilometer) insgesamt 13,8 Liter Öl nachgefüllt werden müssten. Vergleichbare Fahrzeuge anderer Hersteller in vergleichbarer Wagenklasse und Alter wiesen demgegenüber einen deutlich geringeren Ölverbrauch auf. So sei erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass zwischen zwei Ölwechselintervallen nicht mehr als 1 Liter Öl, oftmals sogar kein Öl nachgefüllt werde müsse. Ein Ölverbrauch von 1–3 Litern auf 30.000 Kilometern sei aus Sicht des Sachverständigen noch zu tolerieren. Ein erhöhter Ölverbrauch sei zudem nur in der Einlaufphase bis 5.000 Kilometern nachvollziehbar, da sich danach ein konstanter niedriger Wert einstelle, der im Laufe der Nutzung auch wieder ansteige. Die Ölmessung wurde jedoch vorliegend bei einem Kilometerstand von 29.378 durchgeführt.

2. Der Sachmangel lag auch bereits zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs vor, § 434 Abs. 1 S. 1 BGB. Für den Kl. greift die Vermutungsregelung des § 477 BGB bzw. § 476 BGB a.F.

a) Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag handelt es sich unstreitig um einen Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 BGB. Demnach wird für den Käufer vermutet, dass ein gegebener Sachmangel schon bei Gefahrenübergang vorlag, wenn sich der Mangel in den ersten sechs Monaten seit Gefahrenübergang gezeigt hat.

"Sich zeigen" bedeutet, dass der Sachmangel innerhalb der sechs Monate bemerkt oder festgestellt wird (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl. 2018, § 477 Rn 7). Irrelevant ist demgegenüber, ob Mängelrechte innerhalb der sechs Monate gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht werden.

So ist der Fall hier. Der Kl. hat unstreitig am 21.8.2015 bei dem am 24.04.2015 übergebenen Pkw VW Golf bei einem Kilometerstand von ca. 11.500 bei der Bekl. Öl nachfüllen lassen, da die Ölleuchte des Fahrzeugs aufleuchtete und einen hohen Ölverbrauch moniert. Der hohe Ölverbrauch des Fahrzeugs hat sich somit innerhalb der sechs Monate seit Gefahrenübergang gezeigt.

b) Die Vermutungsregelung des § 477 BGB bzw. § 476 BGB a.F. konnte durch die Bekl. nicht widerlegt werden. Das Gericht ist vielmehr aufgrund des Sachverständigengutachtens und dem unstreitigen Sachverhalt davon überzeugt, dass der erhöhte Ölverbrauch bereits bei Gefahrenübergang vorlag.

Der Sachverständige G hat hierzu in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass der Grund für den erhöhten Ölverbrauch vermutlich auf einen Mangel am Motor oder Ölkreislaufsystem liege. Es sei wahrscheinlich, dass dieser Mangel bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorgelegen habe, da in den meisten Fällen des erhöhten Ölverbrauchs ein Fehler bei den Herstellungstoleranzen oder Montagefehler vorlägen. Zudem musste der Kl., wie er unstreitig vorträgt, im Zeitraum bis zur Ölverbrauchsmessung im März 2016 mehrfach Öl nachfüllen.

3. Dass die mit der Klage geltend gemachte Nachlieferung der Bekl. nur mit unverhältnismäßigen Kosten nach § 439 Abs. 4 BGB bzw. § 439 Abs. 3 BGB a.F. möglich wäre, wurde von der Bekl. nicht vorgetragen.

4. Die Bekl. kann sich auch nicht auf eine Unmöglichkeit der Nachlieferung aus § 275 Abs. 1 BGB berufen.

Bei dem Kauf eines bestellten Neufahrzeugs handelt es sich um ein...

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