Hinweis

Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz der Kosten des von ihm beauftragten Gutachters als erforderlichen Aufwand zur Schadensbeseitigung nach § 249 BGB, da diese Kosten auch zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich sind. Zwar betragen die voraussichtlichen Reparaturkosten laut Gutachten nur 1.000 EUR und liegen damit in dem Bereich, der verschiedentlich in der Instanzrechtsprechung als Bagatellschadensgrenze angesehen wird und die die Beauftragung eines Gutachters als Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ansieht. Eine starre Grenze, die sich alleine an den Reparaturkosten orientiert, gibt es jedoch nicht (BGH VersR 2005, 380).

Entscheidend ist alleine die Beurteilung des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung. Wenn ein verständiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter die Einschaltung eines Gutachters nach seinen Vorstellungen und Möglichkeiten für geboten halten durfte, sind auch bei späterer Feststellung nur geringer Reparaturkosten die Gutachterkosten losgelöst von einer Bagatellschadensgrenze zu ersetzen.

Der Kläger als technischer Laie durfte zum Zeitpunkt der Beauftragung die Hinzuziehung eines Sachverständigen für erforderlich halten. Es handelt sich um einen Auffahrunfall, bei dem der Kläger eine HWS-Distorsion erlitten hat und sich in ärztliche Behandlung begeben musste. Die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung und damit die Beschädigungsenergie wurde von ihm für sehr erheblich gehalten. Er musste daher damit rechnen, dass sein Fahrzeug über die rein optischen Beschädigungen hinaus auch im Fahrzeuggefüge beschädigt wurde. Es ist allgemein bekannt, dass heutige Fahrzeugteile nach einem Unfall sich zurückformen und zunächst rein äußerlich bei oberflächlicher Betrachtung der Schaden für einen Laien schwer erkennbar ist. Der Kläger hat neben der Beschädigung am Stoßfänger auch unterschiedliche Spaltmaße an den Übergängen der Karosserieteile bemerkt. Demzufolge musste und durfte der Kläger davon ausgehen, dass eine Beschädigung des Fahrzeuggefüges entstanden ist. Die Tatsache, dass die Beschädigungen sich später als geringer herausstellten, geht nicht vor dem Hintergrund eines Prognoserisikos zu seinen Lasten.

 

Erläuterung:

Lehnt der Haftplichtversicherer die Übernahme der Gutachterkosten unter Verweis auf einen Bagatellschaden ab, hat der Anwalt sorgfältig zu prüfen, ob dem Geschädigten ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB vorzuwerfen ist.

Die Höhe des Schadens wird von einem technischen Laien kaum abzuschätzen sein. Sind nicht nur oberflächliche geringfügige Kratzer oder Plastikteile, die leicht auszutauschen sind, betroffen, sondern darüber hinaus beispielsweise die Spaltmaße verschoben, darf der Geschädigte einen Gutachter beauftragen. Eine feste Bagatellschadensgrenze gibt es nicht, auch wenn die Gerichte eine solche im Bereich von 750 bis 1.000 EUR ansiedeln. Entscheidend ist vielmehr die Erkennbarkeit zum Zeitpunkt der Gutachterbeauftragung. Die Kosten des Gutachters sind auch dann vom Versicherer des Schädigers zu zahlen, wenn das Gutachten bereits zur Feststellung benötigt wird, ob ein Totalschaden eingetreten ist, was bei älteren Fahrzeugen mit einen geringen Wiederbeschaffungswert auch bei niedrigen Reparaturkosten der Fall sein kann.

Auch die persönliche Wahrnehmung des Unfalls als erheblich kann hierbei eine Rolle spielen, namentlich wenn der Geschädigte verletzt wurde. Dann sind die Sachverständigenkosten nicht nur als Teil des Herstellungsaufwands nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu ersetzen, sondern auch deshalb, weil das Schadengutachten nicht nur dem Nachweis der Schadenshöhe dient, sondern auch zur Feststellung des Schadenshergangs sowie nachfolgend Grundlage zur Bestimmung der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung. In diesem Fall ist die Beauftragung des Gutachters zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig und die Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen.

Autor: Christian Funk

RA Christian Funk, FA für Versicherungsrecht und

FA für Verkehrsrecht, Saarbrücken

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge