“… Der Kl. steht gegen die Bekl. nach § 1 S. 1 VVG i.V.m. A.2.1.1 AKB 2009, § 83 VVG ein Anspruch auf Leistungen aus der Vollkaskoversicherung i.H.v. 19.947,66 EUR zu.

1. Bedingungsgemäßer Versicherungsschutz der Kl. aus dem Kaskoversicherungsvertrag ist nicht wegen – im Haftpflichtverhältnis zweifelsfrei vorliegender – vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungsobliegenheit ausgeschlossen, § 28 Abs. 2 S. 1 VVG i.V.m. Ziff. E. 1.3, E.6.1 AKB 2009. Nach Ziff. E.1.3 AKB 2009 ist der VN verpflichtet alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann. Sinn der Aufklärungspflicht ist es, den VR in die Lage zu versetzen, sachgemäße Entschließungen über die Behandlung des Versicherungsfalles zu treffen (BGH VersR 2006, 258), aber auch Verdachtsmomenten nachzugehen, die gegen die Berechtigung der geltend gemachten Forderung sprechen könnten (Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., 2010, AKB E Rn 21). Hierfür benötigt der VR Auskünfte über den Schadenseintritt, über dessen Verlauf sowie über das Ausmaß des Schadens. Die Aufklärungsobliegenheit gilt für alle Zweige der Kraftfahrtversicherung (Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., 2010, AKB 2008 E Rn 21). Eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung liegt nicht vor.

a. Eine solche liegt entgegen der Auffassung des LG nicht in den Angaben im Fragebogen v. 2.11.2010. Die Bekl. hat nicht nachgewiesen, dass die Kl. beim Unfall anwesend war. Sie hat auch nicht belegt, dass die Kl. anderweit von der Person des Fahrers bzw. dessen Alkoholisierung Kenntnis erlangt hatte. Sie hat wahrheitsgemäß angegeben, dass der Unfall polizeilich aufgenommen worden war. Mutmaßungen über die Person des Fahrers waren ihr nicht abverlangt. Entgegen der Annahme der Bekl. stellt zudem das von der Bekl. eingeforderte vollständige Ausfüllen des Fragebogens, der auch allein für die Abwicklung des Kaskoschadens erforderliche Daten betrifft (Kontonummer, Vorsteuerabzug), keine Geltendmachung der Kaskoleistung dar.

b. Die Kl. hat ihren Fahrzeugschaden gegenüber der Bekl. als Kaskoversicherer erstmals mit Schriftsatz v. 5.5.2011 geltend gemacht. Eine unzutreffende Darstellung des Unfallherganges oder sonst ein Verhalten, das eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit darstellen könnte, enthält das Anspruchsschreiben nicht und wird seitens der Bekl. auch für die nachfolgende Zeit nicht geltend gemacht. Der Unfallhergang war zu diesem Zeitpunkt vielmehr bereits aufgeklärt und der Bekl. als Kaskoversicherer bekannt.

Die Obliegenheitsverletzung der Kl. im Haftpflichtverhältnis ergreift nicht auch den Kaskoversicherungsschutz. Die Kraftfahrtversicherung ist keine Einheitsversicherung, sondern eine in einem Versicherungsschein nur formell zusammengefasste Mehrzahl von selbstständigen Versicherungsverträgen. Daraus folgt, dass Gefahrerhöhungen, Anzeigepflicht- und Obliegenheitsverletzungen für die jeweilige Sparte getrennt zu prüfen sind (Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., 2010, Vor A AKB 2008, Rn 3). Die Zusammenfassung der Verträge in einem Versicherungsschein führt lediglich dazu, dass die Kenntnis des VR für alle Sparten gilt, obwohl sie nur im Rahmen einer Sparte erlangt worden ist (Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., 2010, Vor A AKB 2008, Rn 3).

Die Angaben der Kl. in der Schadensanzeige v. 2.11.2010 und im Anwaltsschriftsatz v. 2.3.2011 sind lediglich im Rahmen der Abwicklung des Haftpflichtfalls erfolgt. Der insoweit vorgelegte Schriftverkehr ist jeweils zwischen der Kl. und der Haftpflichtabteilung der Bekl. geführt worden. Aufgrund der Selbstständigkeit der Vertragsverhältnisse beschränken sich die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung auf das jeweilige Vertragsverhältnis, in dem die Obliegenheiten zu erfüllen sind. Nachdem die Kl. zum Zeitpunkt ihrer Angaben v. 2.11.2010 und 2.3.2011 Ansprüche aus der Kaskoversicherung noch nicht geltend gemacht hat, kommt eine Aufklärungsobliegenheitsverletzung in diesem Vertragsverhältnis durch unzutreffende Angaben zum Unfallverlauf nicht in Betracht.

Anhaltspunkte dafür, dass die Kl. bereits im Rahmen der Abwicklung des Haftpflichtschadens Einfluss auf die Regulierung des Kaskoschadens nehmen wollte, bestehen nicht. Einen Bezug zur Regulierung des Kaskoschadens weisen die Mitteilungen nicht auf. Vielmehr ergibt sich aus dem Schriftsatz v. 2.3.2011, dass sich die Kl. allein deshalb als Fahrerin des Unfallwagens ausgegeben hat, um ihren Ehemann vor führerscheinrechtlichen Maßnahmen zu bewahren und die Regulierung des dem Beifahrer entstandenen Schadens nicht zu behindern, wobei es für die Abwicklung des Haftpflichtfalls durch die Bekl. hinsichtlich der Ansprüche des Geschädigten nur teilweise von Belang war, ob die Kl. oder ihr Ehemann gefahren war. Ebenso wird deutlich, dass die anwaltlich beratene Kl. mit dieser Täuschung nicht auch ihren Kaskoanspruch befördern wollte. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar, weshalb sie mit dessen Geltendmachung solange zuwartete.

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