[7] "… I. Das BG hat eine Regresspflicht des Bekl. in voller Höhe angenommen. Es hat in seinem Verhalten einen derart schwerwiegenden Obliegenheitsverstoß gesehen, dass ausnahmsweise eine Leistungskürzung auf Null gerechtfertigt sei. Zu ersetzen seien auch die dem Geschädigten entstandenen Sachverständigenkosten."

[8] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

[9] 1. Für § 81 Abs. 2 VVG ist die Frage der Möglichkeit einer Leistungskürzung auf Null in Ausnahmefällen durch Senatsurt. v. 22.6.2011 (VersR 2011, 1037) geklärt. Dort hat der Senat entschieden, dass die in § 81 Abs. 2 VVG geregelte Rechtsfolge, wonach der VR berechtigt ist, “seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen', einer vollständigen Versagung der Leistung in Ausnahmefällen nicht entgegen steht. Es bedarf dabei stets einer Abwägung der Umstände des Einzelfalles. Weder der Wortlaut der Norm noch dessen Entstehungsgeschichte schließen eine Leistungskürzung auf Null aus. Auch der mit der Abschaffung des Alles-oder-Nichts-Prinzips verfolgte Gesetzeszweck führt nicht zur Unzulässigkeit der vollständigen Leistungsfreiheit. Dies gilt insb. in den Fällen, in denen sich der Schweregrad der groben Fahrlässigkeit dem Vorsatz annähert.

[10] Diese Grundsätze treffen ebenso auf die Regelung des § 28 Abs. 2 VVG zu. Hinsichtlich der Rechtsfolge weisen beide Vorschriften einen identischen Wortlaut auf. Sie teilen dieselbe Entstehungsgeschichte. Der vom Gesetzgeber mit der Aufgabe des Alles-oder-Nichts-Prinzips verfolgte Gesetzeszweck ist bei beiden Normen der gleiche. Anhaltspunkte für den Ausschluss einer Leistungskürzung auf Null gibt es nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass in Rspr. oder Literatur für § 28 Abs. 2 VVG und § 81 Abs. 2 VVG unterschiedliche Rechtsfolgen angenommen werden.

[11] 2. Der Einwand des Bekl., die vertragliche Regelung über die Leistungskürzung bei Verletzung von Obliegenheiten in D.3.1 AKB 2008 sei wegen fehlender Transparenz gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, greift nicht durch. Dieser Bestimmung, die sich im Kern lediglich dem Gesetzeswortlaut anschließt, kann der durchschnittliche VN entnehmen, dass eine Leistungskürzung auf Null in Fällen grober Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen ist.

[12] Zunächst bestimmt D.3.1 S. 1 AKB 2008, dass bei vorsätzlicher Verletzung einer der in D.1 oder D.2 AKB 2008 geregelten Obliegenheiten kein Versicherungsschutz besteht. Nach D.3.1 S. 2 AKB 2008 ist der VR bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung durch den VN zu einer Leistungskürzung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis berechtigt. Hieraus erschließt sich, dass es gerade nicht gewollt ist, ein voller Leistungsausschluss sei nur bei Vorsatz möglich und bei grober Fahrlässigkeit müsse stets eine Restquote verbleiben, selbst wenn die Schwere der Schuld dies nicht rechtfertige. Der durchschnittliche VN wird daher die Bestimmung des D.3.1 S. 2 AKB 2008 nicht so verstehen, dass diese die Möglichkeit einer Leistungskürzung auf Null ausschließt.

[13] 3. Beanstandungsfrei ist das BG bei seiner Abwägung aller Umstände des konkreten Falles zu einer Leistungskürzung auf Null gelangt. Es hat insb. zutreffend zugrunde gelegt, dass der Bekl. deutlich über der Grenze der dafür maßgeblichen Grenze von 1,1 Promille absolut fahruntüchtig war und das Führen in einem alkoholbedingt fahruntüchtigen Zustand zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt zählt … Es hat weiterhin berücksichtigt, dass die alkoholbedingten Ausfallerscheinungen des Bekl. die alleinige Schadenursache waren. Entlastende Momente sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

[14] 4. Ohne Rechtsfehler hat das BG bei der Höhe der Regressforderung die Kosten für ein Sachverständigengutachten von 702,04 EUR berücksichtigt, die der Geschädigte zur Ermittlung seines Sachschadens aufgewendet hatte und die ihm von der Kl. ersetzt worden waren.

[15] a) Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist … Dabei kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigengutachtens für geboten erachten durfte … Dies ist dann anzunehmen, wenn der Geschädigte nicht allein in der Lage ist, seinen Schaden zu beziffern (OLG Jena MDR 2008, 211).

[16] b) Auch der Angriff der Revision gegen die Sachverständigenkosten greift nicht durch. Zwar kann die Höhe des Sachschadens ein Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Erforderlichkeit eines Sachverständigengutachtens sein. Der hier unstreitig eingetretene Schaden von 3.479 EUR bewegt sich aber außerhalb der so genannten Bagatellfälle …“

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