"… Das Rechtsmittel erweist sich als begründet, da die vorprozessual durch die Regulierungsverhandlungen mit dem B Versicherungsverband entstandene Geschäftsgebühr auf die im Prozess gegen die Bekl. entstandene Verfahrensgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG, § 15a Abs. 2 RVG anzurechnen ist."

1. Nach Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG wird eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303 wegen desselben Gegenstands zur Hälfte, jedoch höchstens mit 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Die im gerichtlichen Verfahren nach der Nummer 3100 VV-RVG anfallende 1,3 Verfahrensgebühr vermindert sich entsprechend.

2. Eine Anrechnung kommt infrage, da selbständige Gebührenansprüche in verschiedenen Angelegenheiten entstanden sind, wenn der Anwalt einmal vorprozessual und sodann im Prozess tätig wird (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 19. Aufl., § 15 Rn 7 ff.).

a) Für die Anrechnung der Geschäftsgebühr gem. der Vorbem. 3 Abs. 4 VV-RVG ist weiter erforderlich, dass diese wegen desselben Gegenstands entstanden ist. Dies wird verneint, wenn der Anwalt vorprozessual und im Prozess gegen verschiedene Anspruchsgegner vorgeht (AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, 4. Aufl., VV Vorbem. 3 Rn 212); so auch wenn – wie vorliegend – ein Unfallgeschädigter Schadensersatz außergerichtlich nur gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers geltend macht, dann aber im Prozess allein den VN verklagt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl. Vorbem. 3 VV RVG Rn 193).

Auch der Senat hat in einer derartigen Konstellation früher die Auffassung vertreten, unabhängig vom Innenverhältnis zwischen VR und VN sei allein die formal unterschiedliche Parteistellung entscheidend (Senat AnwBl 1990, 325; ebenso OLG Bamberg OLGR 1998, 121). Das LG ist dieser Rechtsauffassung gefolgt.

b) Nach einer Gegenmeinung würde eine Nichtanrechnung der Geschäftsgebühr im Haftpflichtprozess gegen VR und VN der versicherungsvertraglichen Bindung zwischen VR und VN nicht genügend Rechnung tragen, wonach der Kfz-Haftpflichtversicherer nach den AVB Regulierungsvollmacht habe und als Vertreter des Versicherten Erklärungen in dessen Namen abgeben würde. Nicht nur im gerichtlichen Verfahren, sondern auch bei der vorprozessualen Geltendmachung eines Anspruchs würden deshalb automatisch VN und Haftpflichtversicherung in Anspruch genommen, was zu einem engen personellen Zusammenhang der Anspruchsgegner führe, der für die Annahme desselben Gegenstandes ausreiche (OLG Karlsruhe AGS 1994, 43).

c) Der Senat folgt nunmehr für die hier gegebene Fallgestaltung einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der vorgenannten Auffassung, da die wesentlichen Kriterien für die Annahme personeller Identität keine anderen sind als bei einem Kfz-Haftpflichtschaden. Dem engen Zusammenhang zwischen Versicherung und VN steht insb. nicht entgegen, dass im allgemeinen Haftpflichtprozess die direkte Inanspruchnahme des VR im Gegensatz zur Regelung bei Kfz-Haftpflichtschäden gem. § 10 Abs. 6 AKB nicht eröffnet ist (in diesem Fall liegt nach überwiegender Auffassung derselbe Gegenstand i.S.v. Vorbem. VV RVG vor, vgl. Gerold/Schmidt, a.a.O. 1008 VV Rn 150, und BGH zfs 2006, 265 = RVGreport 2006, 34 (Hansens) = AGS 2006, 92). Die Entscheidung des Gesetzgebers, für bestimmte Haftungsschäden wegen ihrer tatsächlichen Bedeutung klagbare Ansprüche gegen das Versicherungsunternehmen zu schaffen oder nicht, ist für das Verhältnis zwischen Versicherung und VN kein ausschlaggebendes Kriterium. Es kommt vielmehr auf die sich aus dem Versicherungsvertrag nebst allgemeinen Bedingungen ergebende Rechtsstellung des VN gegenüber der Versicherung an. Vorliegend sehen die AVB des B Versicherungsverbands alleinige Regulierungsvollmacht des VR vor (AHB/BVV § 5 Ziff. 7), der VN hat dem VR die Prozessführung und die Auswahl des Anwalts zu überlassen (§ 5 Ziff. 4) und ist zur Abgabe eigener Erklärungen im Verfahren nicht berechtigt (§ 5 Ziff. 5). Hinzu kommt noch, dass die Versicherung und die Bekl. als VN durch denselben Prozessbevollmächtigten wegen eines einheitlichen Schadensereignisses vertreten wurden und dieser die Gebühr für die vorprozessuale Vertretung der Versicherung im Prozess gegen den VN geltend gemacht hat. Zweck der Anrechnungsvorschriften ist es gerade zu verhindern, dass die gleiche – oder annähernd gleiche – Tätigkeit zweimal honoriert wird, wenn sie hinsichtlich unterschiedlicher Angelegenheiten anfällt (Müller-Rabe, a.a.O., VV RVG, Vorbem. 3, Rn 179). Auch nach der Rspr. des BGH liegt derselbe Gegenstand dann vor, wenn der Rechtsanwalt für mehrere Auftraggeber wegen desselben Rechts oder Rechtsverhältnisses tätig wird (BGH NJW 2005, 3786).

Aus der für die Gegenauffassung herangezogenen Entscheidung des OLG Bamberg (a.a.O. OLGR 1998, 121) folgt nichts anderes, da sie sich in einem wesentlichen Punkt von der hier vorliegenden Konstellation unterscheidet. Der Haftpflichtversicherer hatte dort vorgerichtlich einen Teil des Schadens aber ohne anteilige Kosten bezahlt. Mit der Klage wurden ledigli...

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