StGB § 316; FeV § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2; FZV § 26 Abs. 1 S. 1

Leitsatz

Der Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit von Fahrern motorisierter Krankenfahrstühle (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 FeV), die nach dem Pflichtversicherungsgesetz zu versichern und mit einem Versicherungskennzeichen gem. § 26 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (FZV – in der Fassung vom 16.7.2009) zu versehen sind, beträgt 1,1 Promille.

(Leitsätze der Einsender)

OLG Nürnberg, Beschl. vom 13.12.2010 – 2 St OLG Ss 230/10

Sachverhalt

Das AG hat den Angeklagten am 28.7.2009 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 25 EUR verurteilt. Die 8. Strafkammer des LG hat zunächst mit Urt. v. 1.12.2009 auf die (auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte) Berufung der Staatsanwaltschaft das amtsgerichtliche Urt. im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 EUR verurteilt wird. Außerdem hat es gegen den Angeklagten ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Die (unbeschränkte) Berufung des Angeklagten wurde als unbegründet verworfen.

Mit seiner damaligen Revision beantragte der Verurteilte, das Urt. des LG vom 1.12.2009 aufzuheben und ihn freizusprechen, hilfsweise, das genannte Urt. aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG zurückzuverweisen. Letzteren Antrag hatte auch die Generalstaatsanwaltschaft gestellt.

Mit Beschl. v. 9.4.2010 (2 St OLG Ss 52/10) hat der Senat auf die Revision des Angeklagten das Urt. des LG vom 1.12.2009 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen.

Die 2. Strafkammer des LG hat mit Urt. v. 4.8.2010 auf die Berufung der Staatsanwaltschaft das Urt. des AG vom 28.7.2009 im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 EUR verurteilt wird und die Berufung des Angeklagten als unbegründet verworfen. In der Urteilsbegründung hat die Strafkammer die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr bestätigt und die beim Führen des motorisierten Krankenfahrstuhls des Angeklagten die für das Führen von Kraftfahrzeugen unter Alkoholeinfluss geltende Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille zugrunde gelegt. Alkoholbedingte Fahrfehler, die auf eine relative Fahruntüchtigkeit des Angeklagten hindeuten könnten, hat die Berufungskammer nicht festgestellt.

Der Angeklagte rügt mit seiner erneuten Revision die Verletzung materiellen Rechts. Er meint, der objektive Tatbestand der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr liege bei dem ihm zur Last gelegten Führen seines elektrisch betriebenen Krankenfahrstuhls unter Alkoholeinfluss nicht vor, weil die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit wie bei Fahrradfahrern bei 1,6 Promille anzusetzen sei, die er nicht überschritten habe.

Das OLG verwirft die Revision als unbegründet.

2 Aus den Gründen:

" … II. Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) aber offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Der Schuldspruch wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB ist rechtlich nicht zu beanstanden.

1.1. Nach den bindenden Feststellungen des BG fuhr der Angeklagte am 20.5.2009 gegen 21.10 Uhr mit seinem mittels Elektromotor angetriebenen dreirädrigen Krankenfahrstuhl des Herstellers … ,Versicherungskennzeichen … bei einer (um 21.29 Uhr festgestellten) mittleren Blutalkoholkonzentration von 1,25 Promille von seiner Garage in N, L, auf dem dortigen Radweg in die ca. 300 m entfernte Tankstelle in der G-Straße in N zum Zwecke des Zigarettenholens. Seine Fahruntüchtigkeit habe er bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen.

Die technischen Daten des Fahrzeugs hat das BG wie folgt festgestellt: Höchstgeschwindigkeit 15 km/h, Länge 1495 mm, Breite 755 mm, Höhe 1020 mm, Leergewicht 94 kg, Zulässiges Gesamtgewicht 300 kg. Das Fahrzeug verfügt über eine Beleuchtungsanlage, Fahrtrichtungsanzeiger, Bremseinrichtung und sogar über einen Rückwärtsgang.

Zum Betrieb im Straßenverkehr ist eine Haftpflichtversicherung (Versicherungskennzeichen) erforderlich, welche auch vorhanden war. Es liegt eine Betriebserlaubnis gem. § 21 StVZO vom 22.6.2004 vor.

1.2. Der Angeklagte hat sich der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB strafbar gemacht. Denn er hat auf einem öffentlichen Radweg, der dem öffentlichen Straßenverkehr (§§ 315b, 315c StGB) zuzuordnen ist, ein Fahrzeug geführt, obwohl er infolge Alkoholgenusses bei einer Blutalkoholkonzentration von über 1,1 Promille absolut fahruntüchtig war, was er bei Beachtung der ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können und müssen.

1.3. Bei dem verfahrensgegenständlichen motorisierten Krankenfahrstuhl handelt es sich nicht nur um ein Fahrzeug i.S.v. § 316 StGB, sondern um ein Kraftfahrzeug, welches die Kriterien des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 FeV erfüllt und deshalb fahrerlaubnisfrei geführt werden darf (vgl...

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