Die deliktische Produzentenhaftung als Folge der Haftung für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht knüpft an zeitlich voneinander getrennte Pflichtenkreise des Herstellers an. Bis zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produktes sind die Pflichten zur fehlerfreien Entwicklung und Konstruktion, die Pflicht zur fehlerfreien Fabrikation und die Pflicht zur Instruktion zu unterscheiden. Mit dem Inverkehrbringen des Produktes endet die Pflichtenstellung des Herstellers jedoch nicht. Vielmehr setzt nunmehr die Pflicht zur Produktbeobachtung ein. Sie ist in zwei Formen denkbar. Zum einen ist der Hersteller verpflichtet, aktive Produktbeobachtung zu betreiben. Das kann etwa in der Form geschehen, dass der Hersteller ein Meldeerfassungssystem unterhält, das alle Informationen hinsichtlich der von ihm produzierten Pflanzenschutzmittel auswertet (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 19.3.1996 – 8 U 90/03). Die passive Produktbeobachtungspflicht beschreibt dagegen die Pflicht des Produktverantwortlichen, Beanstandungen nachzugehen, die ihm von Dritten, nicht nur Abnehmern, sondern auch von Personen zugeleitet werden, die mit dem Produkt in Berührung gekommen sind, und Beanstandungen erheben (vgl. Foerste, NJW 1994, 909). Die Bedeutung der Produktbeobachtungspflicht zeigt sich dann, wenn der Hersteller oder Quasi-Hersteller, letzterer schuldet nur ein passive Produktbeobachtung (Groß, VersR 1996, 657, 659) Kenntnis von Sicherheitsmängeln des Produkts erhält. Die nahe liegende Schlussfolgerung, er müsse im Austausch ein einwandfreies sicheres Produkt liefern, würde verkennen, dass es nicht Aufgabe des Deliktsrechts ist, das Äquivalenzinteresse des Abnehmers zu schützen. Es besteht Stoffgleichheit des Schadens mit dem von Anfang an bestehenden Mangelunwert. Vielmehr will Deliktsrecht das Integritätsinteresse des Abnehmers schützen. Die Entscheidung stellt den Katalog der Gefahrabwendungsmaßnahmen dar, die in einer Warnung oder einer Stilllegungsaufforderung bestehen können und setzt sich kritisch mit einer Verpflichtung zur Rückrufaktion auseinander. Die großzügige Bejahung von Rückrufpflichten, verbunden mit der Verpflichtung zur kostenlosen Nachrüstung würde die Grenzziehung zwischen dem Äquivalenzinteresse und dem Integritätsinteresse verwischen (vgl. LG Frankfurt VersR 2007, 1575; Steffen, in: BGB-RGRK, 12. Aufl., § 823 Rn 277 und 282; Burckhardt, VersR 2007, 1601 ff.).

RiOLG Heinz Diehl, Frankfurt am Main

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