BGB § 305c § 307 Abs. 1 S. 2

Leitsatz

Eine Tarifbestimmung, die eine Verdoppelung der Selbstbeteiligung bei Überschreitung der im Versicherungsantrag angegebenen Jahresfahrleistung vorsieht, ist unwirksam.

LG Dortmund, Urt. v. 28.8.2008 – 2 S 16/08

Sachverhalt

Die Klägerin beantragte am 6.4.2006 bei der Beklagten den Abschluss einer Kraftfahrtversicherung für den Pkw BMW … , die eine Fahrzeugvollversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 1.000 EUR umfasste. Im Antrag gab die Klägerin die jährliche Fahrleistung mit 15.000 km und den Tachostand mit 118.000 km an. Die Beklagte fertigte am 26.5.2006 den Versicherungsschein aus. Danach liegen dem Vertrag der Antrag und die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) sowie die Tarifbestimmungen für die Kraftfahrtversicherung (TB) zu Grunde. In Ziffer 13e der Tarifbestimmungen heißt es unter der Überschrift "Erhöhte Selbstbeteiligung im Schadenfall": "Besteht für einen Pkw eine Fahrzeugversicherung, so wird eine bestehende Selbstbeteiligung im Schadenfall verdoppelt, bzw. wenn eine Fahrzeugversicherung ohne Selbstbeteiligung besteht, die Entschädigungsleistung um einen Betrag von 300,0 EUR gekürzt, wenn a) im Schadenfall festgestellt wird, dass die vom Versicherungsnehmer im Antrag genannte jährliche Fahrleistung – unter Berücksichtigung des Zeitraums zwischen Versicherungsbeginn und Schadentag – um mehr als 25 % überschritten wurde oder …" Die Klägerin nahm die Beklagte wegen Schäden auf Grund eines Unfalls vom 26.5.2007 in Anspruch. Die Klägerin bat in der Folgezeit um Auszahlung des durch Gutachten ermittelten Reparaturkostenaufwands von 2.957,52 EUR netto unter Abzug der Selbstbeteiligung von 1.000 EUR. Die Beklagte rechnete mit Schreiben vom 5.6.2007 unter Abzug der doppelten Selbstbeteiligung, nämlich 2.000 EUR, ab, da der Pkw der Klägerin die im Antrag angegebene jährliche Fahrleistung von 15.000 km unter Berücksichtigung des Zeitraums zwischen Antragstellung und Unfalltag um mehr als 25 % überschritten habe.

Aus den Gründen

Aus den Gründen: „… Der Klägerin steht aus dem Versicherungsvertrag i.V.m. § 1 VVG ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 1.000 EUR gegen die Beklagte zu. Die von der Beklagten verwendete Klausel Ziffer 13e (1) a) der Tarifbestimmungen ist gem. §§ 305c, 307 BGB in mehrfacher Hinsicht unwirksam. Die Klausel ist sowohl überraschend wie auch mehrdeutig für den Versicherungsnehmer.

1. Das Überraschungsmoment folgt allerdings nicht – wie die Klägerin meint – bereits daraus, dass die Überschreitung einer vereinbarten Jahreskilometerleistung nachteilige Folgen für den Versicherungsnehmer nach sich ziehen kann. Denn da die zu Grunde gelegte Fahrleistung mit Prämienvorteilen korrespondiert, muss der Versicherungsnehmer damit rechnen, dass eine Änderung der Bemessungsgrundlagen für die Prämienberechnung durch eine Erhöhung des Risikos infolge einer erhöhten Fahrleistung zu einer Kompensation zu Gunsten des Versicherers und der durch diesen vertretenen Versichertengemeinschaft führt. Darin vermag das Gericht grds.a. keine unbillige Sanktion zu erblicken, da es ansonsten jedem Versicherungsnehmer risikolos möglich wäre, zu Lasten der Versichertengemeinschaft bei Antragstellung unangemessene niedrige Jahreskilometerangaben zu machen, um eine möglichst niedrige Versicherungsprämie zahlen zu müssen.

Als überraschend i.S.v. § 305c BGB wertet das Gericht jedoch die Anknüpfung der Folgen einer Überschreitung der zu Grunde gelegten jährlichen Fahrleistung an den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers, da bei Abschluss der Versicherung die Höhe der Jahreskilometerlaufleistung keinen Einfluss auf die Versicherungsleistung , sondern auf die Versicherungsprämie hat. Denn nach § 305c BGB sind überraschend Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – zu denen auch die Versicherungs- und Tarifbedingungen der Beklagten zählen –, die objektiv ungewöhnlich sind und ein Überraschungsmoment enthalten. Danach braucht der Versicherungsnehmer nicht damit zu rechnen, dass eine Überschreitung der angegebenen jährlichen Fahrleistung Einfluss auf die Leistungspflicht des Versicherers haben soll, obwohl bei Antragstellung diesem Kriterium Bedeutung nur für die Prämiengestaltung zugemessen wird. Damit wäre die Höhe der Versicherungsprämie nach Auffassung des Gerichts ein sachgerechter Anknüpfungspunkt, um auf eine Überschreitung der angegebenen Jahreskilometerleistung zu reagieren. Das Gericht lässt ausdrücklich dahinstehen, ob die Beklagten nicht mit der Anknüpfung an die Leistungsfreiheit gegen §§ 15a, 34a VVG i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 25 VVG verstößt, wenn es sich bei der Vereinbarung zur Einhaltung eines bestimmten Fahrleistung bzw. bei der Überschreitung der vereinbarten Laufleistung inhaltlich um eine verhüllte Obliegenheit oder eine Gefahrerhöhung handelt, weil für diese Tatbestände die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit an halbzwingende Voraussetzungen geknüpft ist, von denen die Beklagte mit der von ihr verwendeten Tarifklausel zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweicht.

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