AVB Vermögensschadenhaftpflichtversicherung § 4 Nr. 5

Leitsatz

1. Ist nicht auszuschließen, dass ein Rechtsanwalt die drohende Verjährung eines Anspruchs aus dem Blick verloren hat, so ist eine wissentliche Pflichtverletzung vom Versicherer nicht bewiesen.

2. Wandelt sich der Anspruch auf Rechtsschutz und Befreiung nach § 154 VVG in einen Zahlungsanspruch um, so beginnt grundsätzlich eine neue Verjährungsfrist.

3. Kennt ein Rechtsanwalt den unmittelbar bevorstehenden Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, so schließt das durch keine objektiven Umstände begründete Vertrauen, er werde eine dritte Fristverlängerung erhalten, die Wissentlichkeit der Pflichtverletzung nicht aus.

OLG Saarbrücken, Urt. v. 31.10.2007 – 5 U 510/06

Sachverhalt

Der Kläger, der aus gepfändetem und überwiesenem Recht des RA E Deckung von der Beklagten verlangt, war früher selbständiger Versicherungsagent. Er verlangte Handelsvertreterausgleich von dem Versicherer GA, den sein Verband auf rund 243.000 DM berechnet hatte. Der Versicherer wandte die fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrages ein. RA E, der den Kläger in dem darauf folgenden Rechtsstreit vertrat, machte aus ungeklärten Gründen lediglich rund 195.000 DM geltend und traf keine verjährungsunterbrechenden Maßnahmen. Das angerufene LG legte seiner abweisenden Entscheidung Sachvortrag der Beklagten zur fristlosen Kündigung zu Grunde und wies dessen Bestreiten durch den Kläger als verspätet zurück. Dagegen legte der Kläger, vertreten durch E, Berufung ein. Die Berufungsbegründungsfrist wurde zwei Mal bis 24.2.2000 verlängert. Einen in den Abendstunden des 24.2.2000 eingegangenen, ohne Zustimmung des Gegners gestellten Antrag auf erneute Verlängerung wies das OLG zurück und verwarf das Rechtsmittel. Im darauf folgenden Haftpflichtprozess des Klägers gegen R obsiegte der Kläger. Zur Begründung führte das Haftpflichtgericht unsachgemäße Prozessführung des E und Unterlassen verjährungsunterbrechender Maßnahmen an. Im vorliegenden Deckungsprozess wandte die Beklagte, der Vermögensschadenshaftpflichtversicherer des RA E, wissentliche Pflichtverletzung ein.

Aus den Gründen

“ … 1. a) Die zur Leistungspflicht des Versicherungsnehmers gegenüber dem Kläger führende Verantwortlichkeit i.S.d. § 149 VVG ergibt sich daraus, dass Ersterer wegen eines bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit begangenen, einen Vermögensschaden verursachenden Pflichtverstoßes eine Leistung an den Kläger zu bewirken hat und wegen eines Teilbetrags von 24.821,06 EUR kein Risikoausschluss eingreift.

(1) Eine die Eintrittspflicht der beklagten Haftpflichtversicherung begründende Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers liegt darin, dass er in dem für den Kläger geführten Vorprozess lediglich 195.061,51 DM eingeklagt hat, obwohl ihm richtigerweise 243.607,28 DM zugestanden hätten, sodass mangels verjährungsunterbrechender Maßnahmen dieser im Jahr 1998 fällig gewordene Anspruch … verjährt war. Die Pflichtverletzung steht fest auf Grund der Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des LG S vom 23.6.2003.

Nach dem in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzip ist zwischen dem Haftpflichtverhältnis und dem Deckungsverhältnis und damit prozessual zwischen dem Haftpflichtprozess und dem Deckungsprozess zu unterscheiden. Im Haftpflichtprozess ist zu klären, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer dem Dritten gegenüber ersatzpflichtig ist. Die Eintrittspflicht des Versicherers für die dort festgestellten Ansprüche ist Gegenstand des Deckungsprozesses (vgl. zum Trennungsprinzip zuletzt BGH, Urt. v. 24.1.2007, VersR 2007, 641). Notwendige Ergänzung des Trennungsprinzips ist die Bindungswirkung des rechtskräftigen Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsrechtsstreit. Sie verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und die zu Grunde liegenden Feststellungen im Deckungsprozess erneut überprüft werden können. Die Bindungswirkung reicht aber nur so weit, wie sich eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage auch im Haftpflichtprozess bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung als entscheidungserheblich erweist (sog. Voraussetzungsidentität). Das ist insbesondere bei der Frage nach dem Haftungsgrund stets der Fall, weil sich aus dem Leistungsversprechen im Haftpflichtversicherungsvertrag ergibt, dass diese für den nachfolgenden Deckungsprozess verbindlich geklärt werden soll (BGH, VersR 2006, 106).

Der Versicherungsnehmer der Beklagten wurde im Haftpflichtprozess durch das Urteil des LG verurteilt, an den Kläger – u.a. – einen Betrag in Höhe von 48.545,77 DM zu zahlen, weil er es versäumt habe, Maßnahmen zur Verjährungsunterbrechung zu ergreifen und den Kläger bei Beendigung des Mandats auch nicht auf die Gefahr der Verjährung des Restanspruchs hingewiesen habe. Die damit gegebene Begründung der Pflichtverletzung ist dem Haftungsgrund zuzurechnen. Auf Grund des Haftpflichturteils ist sie demzufolge wegen zu bejahender Voraussetzungsidentität verbindlich geklärt.

(2) Das LG hat … den Anspruch allerd...

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