VVG a.F. § 6 Abs. 3

Leitsatz

Die Nachbenennung einer in der Schadenanzeige nicht genannten Zeugin für das Abstellen eines Pkw, die der Versicherungsnehmer nicht wahrgenommen haben will, kann nicht verspätet sein, weil der Versicherer darlegen und unter Beweis stellen muss, dass der Versicherungsnehmer den aufzuklärenden Umstand gekannt hat.

(Leitsatz der Schriftleitung)

BGH, Beschl. v. 12.12.2007 – IV ZR 40/06

Sachverhalt

I. 1. Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen aus einer bei der Beklagten genommenen Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kfz-Handel und -Handwerk. Am 5.2.2004 meldete der Kläger der Polizei den Diebstahl eines von ihm kurz zuvor erworbenen Personenkraftwagens. Nach seiner Darstellung hatte er den Pkw am Abend zuvor vor seinem Privathaus abgestellt und tags darauf nicht mehr dort vorgefunden. In der schriftlichen Schadensmeldung an die Beklagte vom 6.2.2004 beantwortete der Kläger die Frage nach möglichen Zeugen für das Abstellen des Fahrzeugs mit "meine Frau". Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 23.3.2004 mitgeteilt hatte, ein bedingungsgemäßer Teilkaskoschadensfall werde bestritten und eine Regulierung deshalb nicht vorgenommen, erhob der Kläger Zahlungsklage vor dem LG. Auf die Ausführungen der Beklagten in der Klagerwiderung reagierte der Kläger mit Schriftsatz vom 17.8.2004, indem er u.a. neben seiner Ehefrau eine Frau G als Zeugin dafür benannte, dass er, der Kläger, am Abend des 4.2.2004 mit dem als gestohlen gemeldeten Fahrzeug nach Hause gekommen war und dieses vor seinem Haus abgestellt hatte. Daraufhin berief sich die Beklagte auf Leistungsfreiheit, weil der Kläger die Zeugin G nicht schon in der schriftlichen Schadensmeldung benannt hatte; damit habe er seine aus § 7 (I) Nr. 2 S. 3, (V) Nr. 4 AKB folgende Obliegenheit verletzt, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein könne.

2. Das LG hat Leistungsfreiheit der Beklagten wegen Obliegenheitsverletzung angenommen und die Klage abgewiesen. Das OLG hat diesen Vortrag gem. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO als verspätet zurückgewiesen.

Aus den Gründen

[3] “II. Das Berufungsgericht hat verfahrensfehlerhaft angenommen, der Kläger sei mit seinem unter Beweis gestellten Vortrag dazu, er habe erst nach Beantwortung der Fragen in dem Schadensmeldeformular der Beklagten von seiner Ehefrau davon erfahren, dass auch die Zeugin G das Abstellen des als gestohlen gemeldeten Kraftfahrzeugs am Abend vor dem behaupteten Diebstahl beobachtet hatte, gem. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen. Damit hat es zugleich in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

[4] 1. Wie die Beschwerde zutreffend beanstandet, betrifft die Frage, ob der Kläger im Zeitpunkt des Ausfüllens seiner Schadensmeldung wusste, dass auch die Zeugin G das Abstellen des Fahrzeugs am Abend des 4.2.2004 wahrgenommen hatte, nicht die Widerlegung der Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG, sondern das Vorliegen der Voraussetzungen einer Obliegenheitsverletzung als solcher. Nach der Rspr. des Senats gehört die Kenntnis der nach Eintritt des Versicherungsfalles mitzuteilenden Umstände zum objektiven Tatbestand der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit des § 7 (I) Abs. 2 S. 3 AKB, den der Versicherer zu beweisen hat (Senatsurt. VersR 2007, 389 Tz. 13 f.). Diese Obliegenheit kann der Versicherungsnehmer bei Unkenntnis schon objektiv nicht verletzen, denn es gibt nichts, worüber er nach seinem Kenntnisstand den Versicherer aufklären könnte ( … ).

[5] 2. Der Kläger hat erstinstanzlich lediglich vorgetragen, dass die Zeugin G das Abstellen des Fahrzeugs beobachtet hätte und dafür durch Benennung der Zeugin Beweis angetreten. Dieser Vortrag im Prozess belegt aber für sich genommen noch nicht, dass der Kläger Kenntnis von den Beobachtungen der Zeugin schon bei Abfassung der Schadensanzeige hatte; er gab dafür nichts her. Es wäre vielmehr Sache der Beklagten gewesen, solche Kenntnis zu behaupten und gegebenenfalls zu beweisen. Auch daran fehlt es; die Beklagte hat zur Kenntnis des Klägers vielmehr überhaupt nichts vorgetragen, sich vielmehr auf die Bemerkung beschränkt, aus der Nichtangabe der Zeugin in der Schadensanzeige ergebe sich bereits eine leistungsbefreiende Obliegenheitsverletzung.

[6] Das erstinstanzliche Urteil legt aber ein Verständnis dahin nahe, die Kenntnis des Versicherungsnehmers von den mitzuteilenden Umständen gehöre als subjektives Element zur Schuldseite, für die die Beweislastverteilung des § 6 Abs. 3 VVG gelte. Damit hat sich das LG den Blick darauf verstellt, dass es nicht Sache des Klägers, sondern der Beklagten war, zur Kenntnis des Klägers bei Abfassung der Schadensanzeige vorzutragen und Beweis anzutreten. Selbst wenn das LG den Vortrag des Klägers dahin verstehen wollte, dieser habe seine Kenntnis zum maßgeblichen Zeitpunkt eingeräumt, hätte es ihn gem. § 139 ZPO darauf hinweisen müssen. Denn aus seiner fehlerhaften Sicht stand damit zugleich der subjektive Tatbestand der Ob...

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