VVG a.F. § 22; BGB § 123

Leitsatz

Verschweigt ein Versicherungsnehmer auf die Frage nach einer Suchterkrankung und nach ärztlichen Behandlungen eine Alkoholerkrankung, so entlastet ihn vom Vorwurf der Arglist nicht, wenn vorgetragen wird, dies könne aus Scham geschehen sein und der Versicherungsmakler habe wegen der Angabe einer Nierenspende erwähnt, der Versicherer werde bei Ärzten nachfragen.

OLG Hamm, Urt. v. 17.8.2007 – 20 U 126/07

Aus den Gründen

“ … 1. Der Anfechtungsgrund i.S.d. § 22 VVG; § 123 Abs. 1 BGB ergibt sich aus der arglistigen Täuschung der Beklagten durch den Versicherungsnehmer und Ehemann der Klägerin bei Abschluss des Versicherungsvertrages über dessen Alkoholerkrankung.

Die arglistige Täuschung i.S.d. vorbezeichneten Vorschriften setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht; einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht. In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (vgl. BGH VersR 2005, 785 f.; OLG Hamm VersR 1990, 765 f.; OLG Koblenz, r+s 2001, 437 und Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 22 Rn 5 ff.). Eine Beweisführung des Versicherers durch Indizien ist jedoch zulässig (vgl. Prölss/Martin, a.a.O.).

Hier gab der Versicherungsnehmer unstreitig weder seine Alkoholabhängigkeit bzw. -krankheit und die alkoholische Fettleber noch die dieserhalb stationär erfolgten Krankenhausbehandlungen in der Fachklinik W im September/Oktober 2001 und Ende Juni bis Mitte Oktober 2002 und weiteren ambulanten Behandlungen im Versicherungsantrag vom 2.9.2004 an, obwohl danach unter Ziffer 2. und 3. der “Fragen an die zu versichernde Person’ ausdrücklich und eindeutig gefragt wurde.

Entgegen der schriftsätzlichen Behauptung der Klägerin war sich ihr verstorbener Ehemann – auch im unmittelbaren zeitlichen Umfeld der Antragstellung – seiner Suchtproblematik durchaus bewusst. Dabei kann als zutreffend unterstellt werden, dass er zwischen Oktober 2002 und der Antragstellung im September 2004 abstinent lebte. Die im Leistungsauszug der privaten Krankenversicherung dokumentierten und auch nicht bestrittenen ambulanten ärztlichen Behandlungen im Zusammenhang mit diagnostizierten Störungen durch Alkohol und alkoholischer Fettleber noch in den Monaten Mai, Juni, Juli und August 2004 und die (angeblich) präventiv verordneten Medikamente lassen keinen Zweifel daran, dass sich der Versicherungsnehmer seiner Krankheit sehr wohl bewusst gewesen sein muss. Dieses ergibt sich auch aus dem Arztbericht Dr. H vom 22.10.2002. Nach diesem Bericht stellte der verstorbene Ehemann bei seiner Aufnahme zur Entwöhnungsbehandlung wegen seiner Alkoholkrankheit in der Fachklinik W seine Suchtentwicklung übersichtlich dar und brachte ein eindeutiges Krankheitsbekenntnis zum Ausdruck. Auch die Klägerin hat im Rahmen ihrer Anhörung durch den Senat eingeräumt, dass sie sich mit ihrem verstorbenen Ehemann über dessen Alkoholprobleme unterhalten habe und er sich dieser Problematik auch bewusst gewesen sei.

Das Argument der Klägerin, ihr verstorbener Ehemann könnte seine Alkoholabhängigkeit aus Scham bei der Antragstellung verschwiegen haben, überzeugt nicht. Zutreffend hat die Beklagte argumentiert, dass in diesem Fall eine Offenbarung unmittelbar ihr gegenüber hätte erfolgen können. Darauf wurde der Versicherungsnehmer ausdrücklich im Antragsformular hingewiesen.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin wurde auch nicht durch die angebliche Erklärung des Zeugen D (Mitarbeiter des Versicherungsmaklers S) von der Angabe seiner Alkoholkrankheit abgehalten, dass in Anbetracht der Nierenspende keine weitere Aufnahme von Erkrankungen notwendig sei, weil ärztliche Berichte ohnehin eingeholt würden. Der vom Senat zu diesem Beweisthema vernommene Zeuge D hat die Darstellung der Klägerin nicht bestätigt. Zwar hat er bekundet, dass er dem verstorbenen Ehemann der Klägerin wohl gesagt habe, dass wegen der angegebenen Nierenspende durch den Versicherer beim Hausarzt nachgefragt werde. Er habe ihm aber nicht erklärt, dass er deswegen weitere Krankheiten nicht anzugeben brauchte. Des Weiteren hat der Zeuge ausgeschlossen, dass vom Versicherungsnehmer andere Krankheiten bzw. andere Krankenhausaufenthalte genannt worden seien. Denn diese hätte er in das Antragsformular aufgenommen.

Die Aussage des Zeugen ist plausibel und glaubhaft. …

Bei der verschwiegenen Alkoholabhängig...

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