StVO § 23 Abs. 1a

Leitsatz

Ein elektronischer Taschenrechner unterfällt als elektronisches Gerät, das der Information dient oder zu dienen bestimmt ist, der Vorschrift des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO.

BGH, Beschl. v. 16.12.2020 – 4 StR 526/19

Sachverhalt

Das AG hat den Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Tateinheit mit "verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführer" zu einer Geldbuße von 147,50 EUR verurteilt. Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen überschritt der Betr. bei einer Fahrt mit seinem Pkw die zulässige Höchstgeschwindigkeit. Während der Fahrt hielt er einen elektronischen Taschenrechner in der Hand, mit dem er die Provision eines bevorstehenden Kundentermins berechnete. Der Betr. rügt in seiner Rechtsbeschwerde die Verletzung materiellen Rechts wegen der tateinheitlichen Verurteilung wegen verbotswidriger Benutzung eines elektronischen Geräts. Das OLG Hamm, das die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, beabsichtigt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen, sieht sich daran aber durch die Entscheidung des OLG Oldenburg vom 25.6.2018 – 2 Ss OWi 175/18 – gehindert. Da das OLG Oldenburg auf Anfrage erklärt hat, an seiner Rechtsauffassung festzuhalten, hat das OLG Hamm mit Beschl. v. 15.8.2019 die Sache gem. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG dem BGH zur Beantwortung folgender Rechtsfrage vorgelegt: Fällt ein reiner (elektronischer) Taschenrechner als elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation bzw. der Unterhaltungselektronik oder der Ortsbestimmung dient bzw. dienen soll, unter § 23 Abs. 1a StVO? Der BGH hat die Vorlagefrage im Sinne des o.g. Tenors beantwortet.

2 Aus den Gründen:

"… II."

[6] Die Vorlage ist gem, § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG zulässig.

[7] 1. Die Vorlagefrage betrifft die Auslegung eines Tatbestandsmerkmals des § 23 Abs. 1a S. 1 StVO, mithin eine Rechtsfrage.

[8] 2. Die Rechtsfrage ist auch entscheidungserheblich.

[9] a) § 23 Abs. 1a StVO ist wirksam und daher vom vorlegenden Gericht bei seiner Entscheidung anzuwenden. Die Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 1 der 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6.10.2017 (BGBl I, S. 3549) neu gefasst worden. Diese Neufassung erfüllt die Anforderungen, die Art. 80 Abs. 1 GG an die Wirksamkeit von Rechtsverordnungen stellt (vgl. BVerfGE 101, 1; 136, 69; 151, 173), indem sie sich auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage stützen kann, die im Vorspruch zur Änderungsverordnung ordnungsgemäß angegeben ist. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass der Verordnungsgeber die Regelung der Benutzung elektronischer Geräte durch Kraftfahrzeugführer auf die allgemeine Ermächtigungsnorm des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Hs. 1 StVG gestützt hat.

[10] b) Das OLG Hamm kann die Rechtsbeschwerde nicht wie beabsichtigt als unbegründet verwerfen, ohne von tragenden Gründen der Entscheidung des OLG Oldenburg zur Auslegung des § 23 Abs. 1a StVO abzuweichen.

[11] 3. Die Vorlegungsfrage ist allerdings zu weit gefasst. Sie schließt mehrere tatbestandliche Varianten der elektronischen Geräte i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO ein, während die Divergenz – wie sich aus dem Vorlagebeschluss und der Entscheidung des OLG Oldenburg ergibt – allein die Auslegung des Tatbestandsmerkmals des elektronischen Geräts, das der Information dient oder zu dienen bestimmt ist, betrifft.

[12] Der Senat fasst die Vorlegungsfrage daher wie folgt: “Unterfällt ein elektronischer Taschenrechner als elektronisches Gerät, das der Information dient oder zu dienen bestimmt ist, der Vorschrift des § 23 Abs. 1a S. 1 StVO?'

[13] III. Der Senat entscheidet die Vorlagefrage wie aus der Beschlussformel ersichtlich.

[14] Durch die 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6.10.2017 (BGBl I, S. 3549) ist die Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO grundlegend umgestaltet worden. An die Stelle der früheren, vom Verordnungsgeber nicht mehr als zeitgemäß erachteten Verbotsnorm des § 23 Abs. 1a StVO a.F., die lediglich für Mobil- oder Autotelefone galt, ist eine als Gebotsvorschrift ausgestaltete Bestimmung getreten, welche die Voraussetzungen regelt, unter denen die in der Vorschrift genannten elektronischen Geräte beim Führen eines Fahrzeugs benutzt werden dürfen. Mit der Neuregelung verfolgte der Verordnungsgeber den Zweck, im Interesse einer Verbesserung der Verkehrssicherheit die Reichweite der Regelung über den bisherigen Bereich der Mobil- und Autotelefone hinaus auszudehnen und eine Benutzung der in der Vorschrift näher bezeichneten elektronischen Geräte davon abhängig zu machen, dass die Hände des Fahrzeugführers während der Fahrt grds. zur Bewältigung der Fahraufgaben zur Verfügung stehen und der Blick des Fahrzeugführers im Wesentlichen – von kurzen Blickabwendungen abgesehen – auf das Verkehrsgeschehen konzentriert bleibt (vgl. Entwurfsbegründung BR-Drucks 556/17, S. 16, 25 f.). § 23 Abs. 1a S. 1 StVO schreibt unter anderem vor, dass derjenige, der ein Fahrzeug führt, ein elektronisches Gerät, das de...

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