"… Der Kl. hat einen Anspruch auf die begehrte Versicherungsleistung aus dem mit der Bekl. geschlossenen Versicherungsvertrag i.V.m. Ziff. A.2.5.1 der zwischen den Parteien vereinbarten AKB."

1. Anders als die Bekl. meint, handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Ereignis um einen “Unfall' i.S.d. Ziff. A.2.2.2.2 AKB. Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kl. den Aufprall auf den Straßenbaum vorsätzlich herbeigeführt hat, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Selbst die vorsätzliche Herbeiführung eines Schadensfalls schließt einen “Unfall' i.S.d. AKB nicht aus; maßgeblich hierfür ist allein, dass der Schaden durch eine von außen plötzlich einwirkende mechanische Kraft herbeigeführt wird, wie sie hier durch den Zusammenprall mit dem Straßenbaum gegeben ist. Die Unfreiwilligkeit des Schadensereignisses gehört nach der Definition des A.2.2.2.2 nicht zum Unfallbegriff (Stiefel/Meyer, Kommentar zu den AKB 19. Aufl., A.2. AKB Rn 317). Anders als in der Unfallversicherung ist nämlich in der Fahrzeugversicherung das Merkmal der Unfreiwilligkeit in die Bestimmung des Unfallbegriffs nicht aufgenommen worden (BGH, NVersZ 1999, 35). Soweit früher gleichwohl vereinzelt die Auffassung vertreten wurde, ein freiwillig herbeigeführter Schaden könne niemals eine “Einwirkung von außen' darstellen, so entspricht dies nicht mehr der höchstrichterlichen Rspr. und h.M (BGH NJW 1981, 1315). Die vorsätzliche Herbeiführung des Schadens mithilfe eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr begründet damit lediglich einen subjektiven Risikoausschluss (…). Bestreitet der VR vor diesem Hintergrund die Unfreiwilligkeit, behauptet er in Wirklichkeit eine vorsätzliche Herbeiführung eines Unfallschadens, wofür er dann auch die Beweislast trägt (…).

2. Den ihr hiernach obliegenden Beweis der vorsätzlichen Herbeiführung des Unfalls hat die Bekl. nicht geführt. Es gilt insoweit der Beweismaßstab des § 286 ZPO, die Regeln des Anscheinsbeweises kommen der Bekl. nicht zugute, weil ein Suizid meist so sehr von besonderen Lebensumständen, der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen und seiner augenblicklichen Gemütslage, die wiederum von irrationalen Momenten beeinflusst sein kann, abhängt, das von einem typischen Geschehensablauf niemals gesprochen werden kann (…). Jedoch bleibt die grundsätzliche Möglichkeit, den Vorsatz als innere Tatsache aus einer Zusammenschau der Indizien anhand der Besonderheiten des Einzelfalles zu folgern (BGH r+s 1987, 173). Für einen solchen Indizienbeweis ist aber jedenfalls zu fordern, dass ein sehr hoher Grad der Wahrscheinlichkeit für die freiwillige Herbeiführung des Unfalls spricht. Anhaltspunkte für eine freiwillige Selbsttötung sind das Abkommen von einer geraden und trockenen Straße ohne erkennbare äußere Einwirkung, das Fehlen von Brems- und Kratzspuren oder von feststellbaren Mängeln am Kfz, persönliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten des VN, frühere Selbstmordversuche oder Ankündigungen. Sache des Anspruchstellers ist es dann, im Rahmen der sekundären Darlegungslast Umstände vorzutragen, die für die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs sprechen (…). Im Anschluss an das vom LG eingeholte Sachverständigengutachten kann von einer solchen Indizienlage indes nicht ausgegangen werden, was auch das LG im Ergebnis zutreffend angenommen hat.

Ein von der Bekl. behaupteter vorheriger Suizidversuch des Kl. im Jahr 2017, den sie auf einen Eintrag in der Ermittlungsakte und eine dort festgehaltene Tagebuchnummer der Polizei stützt, ist in keiner Weise substantiiert worden und auch durch die Ermittlungen der Polizei nicht hinreichend belegt. Der dieser Tagebuchnummer zugrunde liegende Vorgang ist zwischenzeitlich gelöscht, der Kl. hat sich überdies vor dem Senat unwidersprochen dahin eingelassen, es habe sich seinerzeit um ein Missverständnis zwischen ihm und seiner damaligen Lebensgefährtin gehandelt, die ohne Grund den Notarzt gerufen habe. Eine Psychotherapie habe er weder im Jahr 2017 noch nach dem hier streitgegenständlichen Unfall erhalten, Medikamente seien ihm gleichfalls nicht verschrieben worden. Selbst wenn man gleichwohl unterstellen würde, dass es im Jahr 2017 bereits einmal einen Suizidversuch gegeben haben sollte, lässt dies in der Gesamtschau mit dem festgestellten Unfallhergang keinen Rückschluss darauf zu, dass dieser durch einen erneuten Selbsttötungsentschluss beeinflusst war. Allerdings hat der Kl. ausweislich des in der beigezogenen Ermittlungsakte der StA Leipzig enthaltenen Vermerks der PMin J. auf Nachfrage eine Suizidabsicht als Motiv für den Unfall bejaht, wenngleich er im selben Zusammenhang den Unfall auf einen Fahrfehler zurückgeführt hat. Schon wegen dieser in sich widersprüchlichen Aussage und wegen des Umstands, dass eine Suizidabsicht nur auf intensive Nachfrage eingeräumt wurde, reicht dies zu einem für das praktische Leben tauglichen Nachweis einer vorsätzlichen Unfallherbeiführung für sich genommen aber nicht aus. Der Kl. hat zudem bestritten, sich gege...

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