VVG § 203 Abs. 5

Leitsatz

Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben.

BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Kl.

Die Bekl. informierte den Kl. mit Schreiben v. November 2014 nebst Anlagen über eine Beitragserhöhung zum 1.1.2015 im Tarif E. um 79 EUR monatlich und im Tarif 5 um 16,71 EUR monatlich. Für den Tarif E. teilte sie außerdem mit Schreiben v, November 2015 nebst Anlagen eine Beitragserhöhung um 98 EUR zum 1.1.2016 mit.

Im Schreiben vom November 2014 fand sich ein fett gedruckter Hinweis auf nähere Erläuterungen in der Anlage "Informationen zur Beitragsanpassung zum 1.1.2015". In dieser Anlage werden im Allgemeinen Gründe für eine Beitragsanpassung angeführt. Weiter heißt es:

"Neben den Leistungsausgaben beeinflussen weitere Faktoren den Beitrag:"

Steigende Lebenserwartung

Kapitalmarktsituation

Entwicklung des Versichertenbestandes“.

Mit seiner Klage hat der Kl. u.a. die Rückzahlung der auf die Erhöhungen entfallenden Prämienanteile i.H.v. insgesamt 6.530,28 EUR nebst Zinsen, sowie die Feststellung begehrt, dass die Beitragserhöhungen zum 1.1.2015 und 1.1.2016 unwirksam seien und er nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet sei.

Nach Ansicht des BG sind die Prämienerhöhungen für die Jahre 2015 und 2016 bis zum 31.12.2017 nicht wirksam geworden. Die von der Bekl. vorgelegten Begründungsschreiben nebst Anlagen genügten nicht den zu stellenden Mindestanforderungen an eine Mitteilung der maßgeblichen Gründe i.S.d. § 203 Abs. 5 VVG.

2 Aus den Gründen:

"… II. Das hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend stand. (…)"

2. Das BG geht zutreffend davon aus, dass bei einer Prämienanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG erst durch die Mitteilung einer den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügenden Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt wird, wie der Senat bereits mit Urt. v. 19.12.2018 (BGHZ 220, 297) entschieden hat.

[Inhalt der Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG]

Entgegen der Ansicht der Revision erfasst die Notwendigkeit, gem. § 203 Abs. 5 VVG dem VN die “hierfür maßgeblichen Gründe' mitzuteilen, nicht nur die “Änderungen' der AVB und TB gem. § 203 Abs. 3 VVG, sondern auch die dort ebenfalls genannte “Neufestsetzung' der Prämie nach § 203 Abs. 2 VVG. Schon der Wortlaut der Regelung macht deutlich, dass sie den Zeitpunkt des Eintritts der Wirkung der Anpassungserklärung an die Mitteilung der Neufestsetzung als solcher einerseits und der für sie maßgeblichen Gründe andererseits knüpft (vgl. Senat BGHZ 220, 297). Ein Wirksamwerden der Prämienanpassung ohne eine solche Mitteilung oder trotz einer inhaltlich unzureichenden Mitteilung (so aber Reinhard in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. § 203 Rn 19; Brand, VersR 2018, 453, 457; Kalis, r+s 2018, 464, 469 f.) schließt das Gesetz daher aus.

Die Revision nimmt zu Unrecht an, der Geltung des Mitteilungserfordernisses aus § 203 Abs. 5 VVG für die Prämienanpassung stehe entgegen, dass § 6 Abs. 2 VVG-lnfoV bei der Prämienerhöhung eine weitere Informationspflicht zur Möglichkeit eines Tarifwechsels vorsieht. Auf dieses Recht hat der VR den VN bei der substitutiven Krankenversicherung nach § 6 Abs. 2 VVG-lnfoV bei der Prämienerhöhung ebenfalls hinzuweisen (vgl. Senat BGHZ 220, 297). Die Mitteilungspflichten aus § 203 Abs. 5 VVG und § 6 Abs. 2 VVG-lnfoV schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern bestehen nebeneinander.

3. Das BG hat den erforderlichen Inhalt der nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden maßgeblichen Gründe zutreffend bestimmt.

[Bezug der Begründung auf die konkrete Prämienanpassung]

a) Die an die Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG zu stellenden Anforderungen sind in Lit. und Rspr umstritten. Im Wesentlichen werden dazu drei Ansichten vertreten: Nach einer vereinzelten Ansicht soll bereits die Erläuterung genügen, welche Faktoren allgemein für eine Prämienanpassung relevant sein können und wie das Verfahren der Prämienanpassung dem Grunde nach funktioniert (vgl. Reinhard in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. § 203 Rn 19; in diese Richtung auch LG Tübingen BeckRS 2018, 50721). Dagegen verlangt eine zweite Ansicht in Rspr. und Lit auf die konkrete Prämienanpassung bezogene Begründung, in der anzugeben ist, bei welcher Rechnungsgrundlage i.S.v. § 203 Abs. 2 S. 3 VVG (Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten) die Veränderung, welche die Prämienanpassung ausgelöst hat, eingetreten ist (vgl. OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 6.6.2019 – 7 U 237/18, juris Rn 20; LG Essen VersR 2019, 120...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge