"1. Die Berufung ist unzulässig, weil sie nicht rechtzeitig begründet wurde."

Gem. § 520 ZPO muss die Berufung innerhalb bestimmter Frist begründet werden. Die Frist beträgt grundsätzlich zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Gemäß § 520 Abs. 2 S. 2 ZPO kann sie auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Nach Satz 3 der Vorschrift kann die Frist auch ohne Einwilligung um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

Im vorliegenden Fall wurde die Berufungsbegründungsfrist zunächst in Anwendung des § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO um einen Monat, nämlich bis zum 28.10.2019, verlängert. Sodann wurde die Frist mit Einwilligung des Gegners nochmals, diesmal sogar um zwei Monate, verlängert bis 30.12.2019. Innerhalb dieser verlängerten Berufungsbegründungsfrist ist eine Berufungsbegründung beim Thüringer OLG nicht eingegangen. Vielmehr ging sie erst am 6.1.2020 ein.

2. Dem Kl. ist nicht von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß §§ 233 S. 1, 236 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 ZPO zu gewähren. Dies würde voraussetzen, dass er die am 30.12.2019 abgelaufene Frist ohne sein Verschulden versäumt hat, wobei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO ein Verschulden seiner Bevollmächtigten eigenem Verschulden gleichsteht.

a) Den Kl. selbst trifft an der Fristversäumung offensichtlich kein Verschulden.

b) Von seinen Prozessbevollmächtigten wäre die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ebenfalls nicht verschuldet, wenn sie aus objektiven Gründen an der Einhaltung der Frist verhindert waren oder auf eine Verlängerung über den 30.12.2020 hinaus vertrauen durften (vgl. BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – VII ZB 111/08, juris). Beides ist nicht der Fall.

aa) Dass es trotz sachgerechter Organisation und entsprechenden Arbeitseinsatzes objektiv unmöglich oder zumindest unzumutbar war, die Berufungsbegründung bis zum 30.12.2020 vorzulegen, ist weder ersichtlich noch vorgetragen noch gar glaubhaft gemacht. Vielmehr spricht der Umstand, dass die 40-seitige Berufungsbegründung nach Zugang der den Fristverlängerungsantrag ablehnenden Verfügung des Gerichts am 6.1.2020 noch am selben Tage gefertigt und übersandt wurde, gegen eine derartige Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit.

bb) Die Prozessbevollmächtigten des Kl. durften auch nicht darauf vertrauen, dass ihnen die beantragte dritte Fristverlängerung gewährt werden würde. Der Rechtsmittelführer ist generell mit dem Risiko belastet, dass der Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist versagt. Im Wiedereinsetzungsverfahren kann sich der Rechtsmittelführer deshalb nur dann mit Erfolg auf sein Vertrauen in eine Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – VII ZB 111/08, juris; Beschl. v. 4.7.1996 – VII ZB 14/96, NJW 1996, 3155; Beschl. v. 21.2.2000 – II ZB 16/99, jeweils m.w.N.).

Nach der Rspr. des BGH darf der Rechtsmittelführer die Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung erwarten, wenn es sich um den ersten Verlängerungsantrag handelt und der Rechtsmittelführer darin gemäß § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO erhebliche Gründe für die beantragte Verlängerung darlegt (siehe BGH, Beschl. v. 20.8.2019 – X ZB 13/18, juris). Hier handelte es sich nicht um den ersten Antrag.

Ebenso soll das Vertrauen auf eine Verlängerung bei einem Erstantrag auch ohne Angabe erheblicher Gründe berechtigt sein, wenn der Gegner zugestimmt hat (BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – VII ZB 111/08, juris). Auch so war es hier nicht.

Ferner hat der BGH das Vertrauen auf Fristverlängerung auch bei einem Zweitantrag, mit dem eine Verlängerung um 7 Tage begehrt wurde, ohne Darlegung erheblicher Gründe aber bei vorliegender gegnerischer Zustimmung für berechtigt erachtet (BGH, Beschl. v. 9.7.2008 – VII ZB 111/05, juris).

Diese Rspr. lässt aber keineswegs den Schluss zu, dass einem wiederholten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist schon allein wegen des Vorliegens der Einwilligung des Prozessgegners stattgegeben werden müsste. Indem der BGH in seinem Beschl. v. 9.7.2009 (a.a.O.) erklärt, die mit der Neuregelung der Fristverlängerung in § 520 ZPO bezweckte Vereinfachung bestehe nach dem Regelungszusammenhang zwischen § 520 Abs. 2 S. 2 und § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO darin, dass allein die Einwilligung des Gegners die vom Gericht zu treffende Ermessensantscheidung eröffne, lässt er im Gegenteil keinen Zweifel daran, dass auch bei Vorliegen der gegnerischen Einwilligung die Verlängerung der Begründungsfrist im Ermessen des Gerichts steht. Allerdings ist dieses Ermessen beim Erstantrag und auch Zweitantrag mit kurzer Verlängerungsdauer eingeschränkt oder im Einzelfall gar ausgeschlossen.

Davon kann im vorl...

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