1) Die Entscheidungen, die den Hersteller von abgasmanipulierten Kfz von der Haftung mit der Begründung befreien, mit der Aufdeckung der Abgasmanipulation und mit den vom Hersteller entfalteten Maßnahmen sei jedenfalls ein sittenwidriges Verhalten des Herstellers gegenüber dem Erwerber entfallen, könnten zu einem deutlichen Rückgang der Verfahren zu den Abgasfällen und einer Erleichterung des Zustandekommens von Vergleichen führen. Dieses Argument stellt ohnehin nur eine Hilfsbegründung für die Ablehnung eines Schadensersatzanspruch des Erwerbers gem. § 826 BGB dar. Da dem Erwerber vor dem Kauf mitgeteilt worden war, dass das von ihm später gekaufte Fahrzeug einer Rückrufaktion unterlag, wusste er, dass das Fahrzeug einen Mangel aufwies, kaufte es aber dennoch.

2) Dass zunächst ein sittenwidriges Verhalten des Herstellers gegenüber den möglichen Erwerbern vorlag, nimmt der Senat mit deutlicher Begründung an (Rn 31–34). Durch Täuschung kamen für die Erwerber wirtschaftlich nachteilige Verträge zustande, die einen Schaden der Erwerber begründeten (vgl. die Nachweise in Fn 2 und 3 bei Weiler NZV 2019, 545).

Mit Akten "tätiger Reue" soll jedoch ab einem bestimmten Stichtag ein sittenwidriges Verhalten der Hersteller gegenüber von da an auftretenden Erwerbern entfallen sein, weil die Hersteller nach der Aufdeckung des Abgasskandals an der Aufklärung der Allgemeinheit und potentieller Gebrauchtwagenkäufer mitgewirkt haben (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 29.11.2019 – 1 U 32/19).

Das habe den Vorsatz entfallen lassen (vgl. OLG Schleswig a.a.O. Rn 39–42). Unter Aufzählung der von dem Hersteller nach Aufdeckung des Abgasskandals getroffenen Aufklärungsmaßnahmen (Ad-hoc-Mitteilung, Information des Händlernetzes über die Softwareproblematik, Homepage zur Überprüfung der betroffenen Fahrzeuge, Unterrichtung der betroffenen Händler) geht das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung vom 6.11.2019 (13 U 156/19) davon aus, dass der Hersteller "nicht mehr" sittenwidrig gehandelt habe. Da es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit auf den Zeitpunkt der Vornahme des Kaufs ankomme, sei ab der Lossagung des Herstellers von sittenwidrigem Verhalten keine Sittenwidrigkeit mehr gegeben. Das schöne Bild der Absage an eine sittenwidrige Praxis wird allerdings dadurch gestört, dass die Hersteller bei gerichtlicher Geltendmachung von Ansprüchen getäuschter Käufer nicht ihr Fehlverhalten anerkannt haben und die Ansprüche ohne Rechtsstreit nicht erfüllt haben. Das sollte bei der Gesamtwürdigung berücksichtigt werden, sodass das "Nicht mehr" überdacht werden sollte.

RiOLG a.D. Heinz Diehl

zfs 3/2020, S. 137 - 141

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