ZPO § 130a Abs. I, III, IV Nr. 2 § 233 I

Leitsatz

Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, bei Unerreichbarkeit des gerichtlichen Faxgerätes zur Fristwahrung das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zu nutzen.

LG Krefeld, Beschl. v. 10.9.2019 – 2 S 14/19

Sachverhalt

Nach Zustellung des amtsgerichtlichen Urteils am 13.3.2019 ging die am 15.4.2019 gefertigte Berufungsschrift des Prozessbevollmächtigten der Bekl. vom 15.4.2019, dem letzten Tag der laufenden Berufungsfrist, erst am 17.4.2019 bei dem BG ein. Am gleichen Tag ging bei dem BG auch ein Schriftsatz des Bevollmächtigten der Bekl. ein, der einen Wiedereinsetzungsantrag enthielt.

Zu dessen Begründung ließ die Bekl. anführen, der Versuch der Übermittlung der Berufungsschrift habe am Abend des 15.4.2019 keinen Erfolg gehabt, da das Faxgerät des Gerichts nicht empfangsbereit gewesen sei. Ihre Prozessbevollmächtigte verfüge über das besondere elektronische Anwaltspostfach, habe jedoch noch nicht die qualifizierte Signatur erhalten, sodass auf diesem Wege eine Übertragung nicht möglich gewesen sei.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

"…"

[5] II. Die Berufung ist gem. § 522 I ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht fristgerecht eingelegt wurde. Gem. § 517 ZPO beträgt die Berufungsfrist einen Monat beginnend mit der Zustellung des Urteils. Das angefochtene Urteil wurde der Berufungsklägerin am 13.3.2019 zugestellt. Das Ende der Frist fiel damit auf Samstag, den 13.4.2019. Damit endete die Berufungsfrist mit Ablauf des nächsten Werktags, mithin am 15.4.2019. Die Berufungsschrift ging jedoch erst am 17.4.2019 ein.

[6] Den Bekl. kann auch eine Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist nicht gewährt werden, denn dies setzt gem. § 233 I ZPO voraus, dass sie ohne ihr Verschulden verhindert waren, die Frist einzuhalten. Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

[7] Dabei kommt es auf die Frage, ob das Faxgerät des Gerichts am Abend des 15.4.2019 empfangsbereit war, nicht an. Denn die Beklagtenvertreterin war verpflichtet, in diesem Fall die Berufungsschrift über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zu übermitteln. Seit dem 1.1.2019 sind alle Anwälte verpflichtet, das besondere elektronische Anwaltspostfach bereitzuhalten und zu betreiben. Dass die Beklagtenvertreterin zur qualifizierten Signatur des Schriftsatzes nicht in der Lage war, ist belanglos. Denn gem. § 130a I, III, IV Nr. 2 ZPO können elektronische Dokumente auch ohne qualifizierte elektronische Signatur bei Gericht eingereicht werden. Ausreichend ist es danach nämlich, wenn das elektronische Dokument von der verantwortenden Person einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird (vgl. BGH NJW 2019, 2230 Rn 11). Als sicheren Übermittlungsweg definiert § 130 IV Nr. 2 ZPO explizit die Einreichung über das besondere elektronische Anwaltspostfach. Eine einfache Signatur besteht in der Namenswiedergabe der verantwortenden Person am Ende des Textes des elektronischen Dokuments; die verantwortende Person muss dabei Inhaber des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs sein (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 130a Rn 9).“

3 Anmerkung:

Zur Übermittlung von Schriftsätzen zur Fristwahrung durch Faxgeräte vgl. BGH zfs 2017, 26 m. Anm. Diehl.

1) Die vorliegende Entscheidung weist einen sicheren Weg zur Fristwahrung bei Funktionsstörungen des gerichtlichen Empfangs-Faxgerätes.

Zwar bleibt es dabei, dass der übermittelnde Anwalt bei festgestellten Störungen des gerichtlichen Gerätes nach wie vor nicht Boten oder auswärtige am Sitz des Gerichts zugelassene Anwälte zur Zustellung bei erkannter Unmöglichkeit der Zustellung per Faxgerät einschalten muss oder durch Transport des Schriftsatzes per Pkw oder sonstigen Beförderungsmitteln die Zustellung herbeizuführen hat (vgl. BVerfG NJW 2001, 3473; BGH NJW-RR 2004, 283).

2) In dieser Situation bietet sich das besondere elektronische Anwaltspostfach gem. § 130a ZPO als Übermittlungsweg an (ebenso OLG Dresden NJW 2019, 3312).

Die Entscheidung sieht das fehlende Vorliegen einer qualifizirten Signatur der Prozessbevollmächtigten für belanglos an und schließt sich dem BGH an, der eine einfache Signatur auf dem sicheren Übermittlungsweg des beA für ausreichend hält (vgl. BGH NJW 2019, 2230).

3) Dass derzeit eine aktive Nutzungspflicht des beA durch den Anwalt nicht vorgesehen ist (vgl. § 331 a Abs. 6 BRAO), ist deshalb ohne Bedeutung, weil der Einsatz des sicheren Übermittlungsweges des beA zum Versenden von Nachrichten jedenfalls möglich ist (vgl. OLG Dresden a.a.O.).

Die Entscheidungen des LG Krefeld und des OLG Dresden knüpfen an eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2012 an (IBR 2012, 600), in der der BGH eine Ermittlungspflicht hinsichtlich weiterer Telefaxnummern des BG angenommen hat, nachdem unter der dem Prozessbevollmächtigten bekannten Verbindung eine Übermittlung eines Berufungsschriftsatzes nicht gelang (vgl. Emler IBR 2019, 647). Die Erweiterung der Übermittlungsmöglichkeiten von fristwahrenden Schriftsätzen wird zu einer Beschränkung erfolgreicher Wied...

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