"…"

[8] 1. Zutreffend hat das BG angenommen, bei der unstreitigen, auf körperlichen Ursachen beruhenden Unfähigkeit des Kl., auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen, handele es sich um eine Krankheit i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 MB/KK (vgl. Senat VersR 2010, 1485 Rn 11 m.w.N.). Wird – wie hier – eine IVF in Kombination mit einer ICSI vorgenommen, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so ist die Maßnahme eine insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung, die darauf gerichtet ist, die Unfruchtbarkeit des Mannes zu lindern (Senat VersR 2006, 1673 Rn 14; …).

[9] 2. Das BG hat auch die von § 1 Abs. 2 S. 1 MB/KK vorausgesetzte medizinische Notwendigkeit der vorgenannten Behandlungen rechtsfehlerfrei bejaht.

[10] a) Nach der Rspr. des Senats ist von einer nicht mehr ausreichenden Erfolgsaussicht – und damit von einer nicht mehr gegebenen bedingungsgemäßen medizinischen Notwendigkeit der IVF/ICSI-Behandlung – dann auszugehen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Embryotransfer zur gewünschten Schwangerschaft führt, signifikant absinkt und eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 15 % nicht mehr erreicht wird (Senat BGHZ 164, 122, 129). Auszugehen ist von der durch das IVF-Register umfassend dokumentierten Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlungen in Abhängigkeit vom Lebensalter der Frau. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, inwieweit individuelle Faktoren ihre Einordnung in die ihrem Lebensalter entsprechende Altersgruppe rechtfertigen, ob also ihre persönlichen Erfolgsaussichten höher oder niedriger einzuschätzen sind, als die im IVF-Register für ihre Altersgruppe ermittelten Durchschnittswerte es ausweisen (…).

[11] b) Das BG hat diese Maßstäbe seiner Beurteilung der Erfolgsaussichten zugrunde gelegt. Die Würdigung der erhobenen Beweise ist grds. dem Tatrichter vorbehalten. Das Revisionsgericht prüft lediglich nach, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (…).

[12] Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Insb. hat das BG – anders als die Revision meint – die Anzahl der Behandlungen in den Blick genommen und berücksichtigt, dass eine Vielzahl an vergeblichen Versuchen die individuelle Erfolgsaussicht zu verringern vermag (vgl. hierzu Senat BGHZ 164, 122, 128). Dass es dabei zu dem Ergebnis gelangt ist, hier sei es aufgrund besonderer individueller Faktoren dennoch gerechtfertigt, die Erfolgsaussichten der Behandlungen jeweils höher einzuschätzen als vom IVF-Register für die Altersgruppe der Ehefrau des Kl. generell ausgewiesen, ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch Senat VersR 2010, 1485 Rn 19 f.; …).

[13] c) Soweit die Revision meint, bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung sei über die Prüfung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Schwangerschaft hinaus auch eine Prognose über deren mutmaßlichen weiteren Verlauf anzustellen, so dass es letztlich auf die sog. baby-take-home-Rate ankommen müsse, dringt sie hiermit ebenfalls nicht durch.

[14] aa) Der Senat hat (…) in seiner Rspr. zur Erstattungsfähigkeit der Kosten einer IVF/ICSI-Behandlung die Erfolgsaussicht bislang lediglich anhand der Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Schwangerschaft beurteilt und damit insb. die vom IVF-Register ausgewiesene statistische Abortrate nicht gesondert berücksichtigt (vgl. hierzu Senat VersR 2010, 1485 Rn 19 f.; …).

[15] Daran ist auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens festzuhalten, denn die mit Blick auf die Notwendigkeit der Heilbehandlung zu treffende Erfolgsprognose kann grds. lediglich den mit der Heilbehandlung erstrebten Erfolg zum Gegenstand haben. Zielt eine IVF/ICSI-Behandlung darauf ab, eine Schwangerschaft herbeizuführen und so die medizinisch bedingte Unfähigkeit eines Paares, auf natürlichem Wege ein Kind zu zeugen, insb. auch – wie hier – eine Unfruchtbarkeit des Mannes, zu lindern (vgl. dazu Senat VersR 2006, 1673 Rn 14; …), so sind die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung an deren Behandlungsziel der Herbeiführung der Schwangerschaft zu messen. Auf nachfolgende, den weiteren Schwangerschaftsverlauf oder die Geburt begleitende oder gar gefährdende Umstände zielt die Behandlung nicht ab und nimmt darauf auch nicht notwendigerweise Einfluss (…). Das nach einer mittels reproduktionsmedizinischer Maßnahmen herbeigeführten Schwangerschaft allgemein bestehende und in Abhängigkeit zum Alter der Mutter steigende Risiko einer Fehlgeburt ist mithin grds. nicht mehr Gegenstand der Behandlung der Unfruchtbarkeit, sondern Teil eines allgemeinen Lebensrisikos, welches werdende Eltern unabhängig davon zu tragen haben, ob ihr Kind auf natürlichem Wege oder mit medizinischer Hilfe gezeugt worden ist.

[16] Der Senat hat bereits im Urt. v. 21.9.2005 (BGHZ 164, 122) dargelegt...

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