StVG § 24a

Leitsatz

Wird bei einer Atemalkoholmessung mit dem Messgerät "Dräger Alcotest 7110" die Wartezeit zwischen Trinkende und erster Messung nicht eingehalten, liegt eine Messung im standardisierten Verfahren nicht vor, ohne dass damit eine Verwertbarkeit der Messung von vornherein ausscheidet.

OLG Celle, Beschl. v. 20.8.2019 – 3 Ss (OWi) 178/19

Sachverhalt

Das AG hat den Betr. wegen fahrlässigen Führens eines Kfz unter Alkoholeinfluss zu einer Geldbuße von 500 EUR verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Er wurde spätestens um 23:24 Uhr durch Polizeibeamte angehalten und kontrolliert. Zwei Atemalkoholmessungen, durchgeführt um 23:38 Uhr und 23:40 Uhr, ergaben Konzentrationen von 0,313 mg/l und von 0,316 mg/l. Der Betr. hat sich dahin eingelassen, dass er noch während der Verfolgung durch die Polizei, nämlich gegen 23:24 Uhr, zuletzt Alkohol konsumiert habe. Dies stellt nach Auffassung des AG die Richtigkeit der Messergebnisse nicht in Frage. Zwar sei nicht feststellbar, ob die Wartezeit von 20 Minuten seit Trinkende eingehalten wurde. Eine Nichteinhaltung der Wartezeit schließe nach der obergerichtlichen Rechtsprechung die Verwertung der im konkreten Fall erzielten Messergebnisse ohne Sicherheitsabschlag jedoch nicht aus.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betr. mit der Rechtsbeschwerde. Er beanstandet das Verfahren und die Verletzung sachlichen Rechts. Insb. macht er geltend, dass die Messergebnisse mangels Belehrung des Betr. über die Freiwilligkeit der Atemalkoholmessung und wegen Nichteinhaltung der Wartezeit nicht verwertbar seien. Das OLG Celle hat auf die Rechtsbeschwerde des Betr. das Urteil des AG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

2 Aus den Gründen:

"…"

II.

Das Rechtsmittel hat (zumindest vorläufig) Erfolg. Das angefochtene Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu in ihrer Stellungnahme ausgeführt:

Zitat

“Die Atemalkoholkonzentration von 0,31 mg/l ist nicht fehlerfrei festgestellt worden. Die Auffassung des AG, die hier ausdrücklich nicht festgestellte Einhaltung der Wartezeit zwischen Trinkende und erster Messung sei ohne Bedeutung, wenn sich im Einzelfall eine Fehlmessung mit dem Messgerät “Dräger Alcotest 7110 Evidential' ausschließen lasse, ist in dieser Allgemeinheit nicht tragfähig, abgesehen davon, dass ein solcher Ausschluss im vorliegenden Fall nicht ausreichend begründet worden ist. Die Tatrichterin kann sich für die von ihr vertretene Auffassung zwar auf den Beschluss des hiesigen 2. Senats für Bußgeldsachen vom 26.9.2003 – 222 Ss 59/03 – stützen. Dieser vermag jedoch jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu überzeugen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur hat er nur vereinzelt Zustimmung gefunden. Überwiegend wird die seinerzeit vertretene Auffassung abgelehnt (s. zum Meinungsstand König in Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 24a StVG Rn 16a; Hühnermann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl., § 24a StVG Rn 4c jew. m.w.N.). Entscheidend ist dabei Folgendes: Das Sachverständigengutachten, auf das sich der 2. Senat für Bußgeldsachen in seiner Entscheidung maßgeblich gestützt hat und das in der hier angefochtenen Entscheidung mit seinen wesentlichen Aussagen zutreffend wiedergegeben worden ist, ist von dem Sachverständigen S. selbst später relativiert worden. Danach hält auch er die Einhaltung der Wartezeit im Regelfall für erforderlich. So sollen Benachteiligungen des Betr. in der Anflutungsphase (auch gegenüber einer Blutalkoholbestimmung) vermieden werden (s.a. Hentschel NJW 2005, 641, 645).

Damit ist bei Nichteinhaltung der Wartezeit von einer wesentlichen Abweichung von der für eine ordnungsgemäße Durchführung der Messung vorgesehenen Verfahrensweise auszugehen. Eine Messung im standardisierten Verfahren liegt nicht mehr vor. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass das Messergebnis unverwertbar wäre. Wie bei anderen standardisierten, aber fehlerhaft durchgeführten Verfahren auch, etwa zur Geschwindigkeitsmessung, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, insb. auch auf Art, Ausmaß und Auswirkung des Fehlers.

Hier kommt die Unverwertbarkeit der Messung keineswegs von vornherein in Betracht. Der gemessene Wert von 0,31 mg/l liegt erheblich, nämlich um 24 %, über dem bußgeldrelevanten Grenzwert von 0,25 mg/l. Die Messung erfolgte nicht sehr kurz, sondern mindestens 14 Minuten nach Trinkende unter Einhaltung der Kontrollzeit. Es spricht bei diesen Parametern nichts dafür, dass die Verlässlichkeit der Messung vollständig aufgehoben wäre. Es bedarf allerdings hier anders als sonst der Berücksichtigung eines Toleranzwertes zugunsten des Betr. (vgl. König, a.a.O., Rn 16a m.w.N.). Dass hier ein höherer Sicherheitsabschlag als 20 % vorgenommen werden müsste, liegt nicht nahe. Die nähere Klärung und abschließende Feststellung obliegt dabei der neu entscheidenden nunmehr sachverständig beratenen Tatrichterin.'

Dem tritt der Senat bei.

Nach der aktuellen obergerichtlichen Rech...

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