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Mit dem vorliegenden Artikel bietet der Autor eine Zusammenfassung der im Berichtszeitraum 2019 ergangenen reiserechtlichen Entscheidungen insb. des BGH und des EuGH. Wie schon im Vorjahresaufsatz (zfs 2019, 64-71) werden neben aktuellen Praxistipps auch vertiefende Literaturhinweise geliefert.

A. Pauschalreiserecht

Den klassischen Kernbereich des Reiserechts bildet nach wie vor das Pauschalreiserecht der §§ 651a ff. BGB – für bis zum 30.6.2018 geschlossene Verträge in der alten Fassung der §§ 651a bis 651m BGB (a.F.) und für ab dem 1.7.2018 geschlossene Verträge in der neuen Fassung der §§ 651a bis 651y BGB (n.F.).[2] Rechtsprechung zum neuen Recht liegt bisher nur spärlich vor. In der Mehrzahl der Fälle hatten die Gerichte noch altes Recht anzuwenden.[3]

[2] Drittes Gesetz zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften vom 17.7.2017, BGBl I 2017, 2394; vgl. Übergangsvorschrift Art. 229 § 42 EGBGB.
[3] Vgl. zur Entwicklung des Reisevertragsrechts in den Vorjahren auch Bergmann VuR 2019, 3; Führich MDR 2019, 718; aktuell zu sonstigen touristischen Leistungen als Reiseleistung eines Reiseveranstalters: Führich MDR 2019, 1477; zu außergewöhnlichen Umständen im Pauschalreise- und Luftverkehrsrecht: Bergmann/Blankenburg NJW 2019, 3678.

I. Sicherheitsvorschriften für ausländische Hotelzimmer

Mit seinem Urt. v. 25.6.2019[4] entschied der für das Reiserecht zuständige zehnte Zivilsenat des BGH, dass sich die Einhaltung einer Sicherheitsvorschrift für ein Hotelzimmer nach dem am Ort der Hotelanlage geltenden Recht richtet, auch wenn das Rechtsverhältnis zwischen Reisendem und Pauschalreiseveranstalter deutschem Recht als Vertrags- oder Deliktstatut unterliegt. Außerdem präzisiert der Senat, wann ausländische Sicherheitsvorschriften von Amts wegen zu ermitteln sind (bzw. wann eine Beweisaufnahme über Sicherheitsvorschriften für Hotelzimmer im Reiseland notwendig ist). Im streitgegenständlichen Fall hatte der Kl. für sich und seine Familie eine Pauschalreise nach Gran Canaria (Spanien) gebucht. Am Ankunftstag wollte ein mitreisendes 7-jähriges Kind vom Hotelzimmer auf den Balkon laufen, wobei es gegen die noch verschlossene Balkontür stieß. Die Scheibe zerbrach und das Kind erlitt Schnittverletzungen. Gegenüber dem Veranstalter wurden Forderungen auf Reisepreisrückzahlung, Ersatz materieller Schäden, Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit und Schmerzensgeld[5] erhoben. Der Kl. trug vor, eine Glastür für einen Balkon müsse nach den einschlägigen Sicherheitsbestimmungen so beschaffen sein, dass sie einem Aufprall eines 7-jährigen Kindes nach kurzem Anlauf standhalte. In beiden Vorinstanzen[6] unterlag der Kl., weil die auf der Glastür angebrachten kleinen Markierungen als ausreichend betrachtet wurden. Der BGH hat die zweitinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dieses wird noch klären müssen, ob eine Balkontür aus offenbar nicht bruchsicherem Glas den für die Hotelanlage maßgeblichen Bauvorschriften entspricht. Anders als die Vorinstanzen differenziert der BGH also danach, ob die örtlichen Bauvorschriften (wie vom Kl. hinreichend konkret vorgetragen) missachtet oder doch eingehalten wurden. Sollte die Tür nicht dem örtlichen Standard entsprochen haben, bestand eine besondere Gefährdungslage, in der eine einfache Markierung auf der Scheibe nicht ausreichte.

[4] BGH, Urt. v. 25.6.2019 – X ZR 166/18 (PM Nr. 83/2019), LMK 2019, 421265 (m. Anm. Pfeiffer) = MDR 2019, 1303 = NJW 2019, 3374 = VersR 2019, 1441.
[5] Vgl. zu Schmerzensgeldanspruch wegen Todesangst auf Malediven-Transferboot (Seenot): LG Köln, Urt. v. 15.1.2019 – 3 O 305/17, RdTW 2019, 385.
[6] LG Hannover, Urt. v. 8.2.2018 – 8 O 49/17; OLG Celle, Urt. v. 6.9.2018 – 11 U 42/18, BeckRS 2018, 20957 = MDR 2018, 1436.

II. Verkehrssicherungspflichten im Hoteleingangsbereich

Auch am 14.1.2020, also kurz nach Ende des Berichtszeitraums dieser Jahreszusammenfassung, verhandelte der BGH wieder über die Folgen eines von einem Reisenden am Urlaubsort erlittenen Unfalls: Der Kl. hatte eine Pauschalreise nach Lanzarote (Spanien) gebucht. Am Tag nach der Anreise ging der Kl. zu Fuß über die regennasse Rollstuhlrampe vor dem Hoteleingang. Er stürzte dort und erlitt dabei eine Handgelenksfraktur. Vor diesem Hintergrund begehrt er vom Reiseveranstalter Rückzahlung des Reisepreises, Schadensersatz sowie Schmerzensgeld. Die Vorinstanzen[7] verneinten die Ansprüche, da die Bekl. die Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt habe und somit kein Reisemangel vorliege. Ein Reisender müsse in bestimmten Fällen damit rechnen, dass Bereiche von Gehwegen nass seien und daher Vorsicht geboten sei. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht könne nach Ansicht der Vorinstanzen (nur) unter der Voraussetzung angenommen werden, dass der Reisende vor einer nässebedingten Rutschgefahr nicht ausreichend gewarnt werde und zudem (kumulativ) die Bodenbeschaffenheit nicht den örtlichen Unfallverhütungsvorschriften entspreche. Dem Kl. sei schon nicht der Beweis gelungen, dass keine entsprechenden Warnschilder aufgestellt gewesen seien. Es k...

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