Zur Haftungsabwägung bei fehlerhaftem Blinken vgl. LG Saarbrücken zfs 2014, 623; AG Warstein/LG Arnsberg zfs 2012, 77; AG Hamburg zfs 2006, 496.

1. Das Setzen des rechten Fahrtrichtungsanzeigers durch den Vorfahrtsberechtigten vor einer Kreuzung oder Einmündung, um dann gleichwohl geradeaus zu fahren, genügt nicht, in dem Wartepflichtigen das Vertrauen hervorzurufen, der Vorfahrtsberechtigte werde vor der Kreuzung oder Einmündung nach rechts abbiegen, so dass sich die Fahrlinien beider Fahrzeuge nicht mehr kreuzen werden, ein Vorfahrtfall nicht eintreten wird. Der Wartepflichtige kann bei einem Blinken des an sich Vorfahrtsberechtigten allein noch nicht darauf vertrauen, dass der andere Verkehrsteilnehmer entsprechend seinem Blinken abbiegen wird und entsprechend dem Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr keine Gefahrenlage durch regelwidriges Verhalten verursacht (vgl. BGH NJW 1965, 1177). Grundsätzlich greift der Vertrauensgrundsatz für den sich selbst verkehrsgerecht verhaltenden Verkehrsteilnehmer dann ein, wenn er erwarten kann, dass sich andere Verkehrsteilnehmer sachgerecht verhalten, solange nichts Gegenteiliges erkennbar ist (vgl. BGH NZV 1998, 396; OLG München DAR 1008, 474). Anzeichen, die es zweifelhaft erscheinen lassen, ob der Vorfahrtsberechtigte die angezeigte Fahrtrichtungsänderung tatsächlich einschlagen wird, können eine fehlende Einordnung des Fahrzeugs des Vorfahrtsberechtigten, das Ausbleiben der für die Richtungsänderung erforderlichen Herabsetzung der Geschwindigkeit (vgl. OLG Düsseldorf VM 67, 6) oder kurz vor oder hinter der untergeordneten Straße befindliche andere Straßeneinmündungen oder Grundstückseinfahrten sein, auf deren Einfahren sich das Blinken beziehen kann.

Heikel und keine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Vertrauensgrundsatzes sind die Verkehrssituationen, in denen der Vorfahrtsberechtigte unter Betätigung des Blinkers ein Fahrzeug überholt hat oder an einem haltenden Fahrzeug vorbeigefahren ist (vgl. § 5Abs. 4 StVO). Da die Deutung des Blinkens sich nicht zwingend auf eine Abbiegeabsicht beziehen muss, ist der Wartepflichtige gehalten, mit der Weiterfahrt zu warten, bis er die "wahre Absicht" des Vorfahrtsberechtigten erkannt hat (vgl. OLG Hamm VRS 61, 52, 53; OLG Düsseldorf VM 67, 6; OLG Oldenburg VRS 83, 377).

Häufig wird ein "Dauerblinken" von dem Vorfahrtsberechtigten auch bei der Suche nach der zutreffenden Straße gesetzt, in die der Ortsunkundige einbiegen will.

2. Die Haftungsverteilung bei unfallursächlichem fehlerhaften Blinken geht bei einer Kollision mit dem wartepflichtigen Unfallgegner von einer Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten von wenigstens 50 %, zu seinen Lasten gesteigert bei einer Verlangsamung der Geschwindigkeit des vorfahrtsberechtigten Fahrers auf bis zu 100 % aus (vgl. KG DAR 1990, 142; OLG Dresden VersR 1995, 234; OLG Hamm VersR 1975, 161; OLG Karlsruhe DAR 2001, 128; LG Bonn DAR 2002, 455; LG Hannover VersR 1992, 1486).

RiOLG a.D. Heinz Diehl

zfs 3/2019, S. 141 - 143

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