"… [3] II. (…) Das BG hat den Anspruch der Bekl. zu 2 auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt."

[4] 1. Das BG hat – soweit hier erheblich – ausgeführt, die Beweiswürdigung des LG in Bezug auf die Behauptung der Bekl. zu 2, es liege ein manipulierter Unfall vor, sei nicht zu beanstanden.

Die Haftung des Schädigers entfalle nur dann, wenn in ausreichendem Maße Umstände vorliegen, die die Feststellung gestatteten, dass es sich bei dem behaupteten Unfall um ein manipuliertes Geschehen handele. Hier sei zwar nicht von der Hand zu weisen, dass es einige solche Anzeigen gebe. Im Ergebnis reichten diese Umstände aber nicht aus. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Bekl. zu 1 möglicherweise nur unaufmerksam oder abgelenkt gewesen sei und deshalb seine Fahrspur nicht eingehalten habe. Der Unfall habe sich auf einer vielbefahrenen Straße bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h ereignet. Die Ehefrau des Kl. sei mit im Fahrzeug und dem Risiko eines Personenschadens ausgesetzt gewesen.

[5] Für die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens fehle es an entsprechenden Anknüpfungstatsachen. Durch ein solches Gutachten könne nämlich nicht bewiesen werden, ob der Bekl. zu 1 willentlich oder absichtlich die Kollision herbeigeführt habe oder nicht. Es sei unstreitig, dass es eine streifende Kollision zwischen den beteiligten Fahrzeugen gegeben habe. Auf den ersten Blick ergebe sich anhand der eingereichten Fotodokumentationen der beteiligten Fahrzeuge ein kompatibles Schadensbild, das mit der Schilderung des Unfallhergangs durch die unbeteiligten Zeugen K im Einklang zu bringen sei.

[6] 2. Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand und verletzen die Bekl. zu 2 in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör.

[7] a) Art. 103 Art. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Art. 1 GG i.V.m. den Grundsätzen der ZPO die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (Senat NJW 2016, 641 Rn 6 m.w.N.; BVerfG WM 2012, 492 = BeckRS 2012, 6218).

[8] b) So verhält es sich im Streitfall. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht den unter Beweis gestellten Vortrag der Bekl. zu 2, bei einem (tatsächlichen) Unfall sei ein unfallverhütendes bzw. -beendendes Fahrmanöver (auch) des Kl. zu erwarten gewesen, nicht ausreichend berücksichtigt hat und aus diesem Grund einem erheblichen Beweisangebot nicht nachgegangen ist.

[9] aa) Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Ungeeignetheit des Beweismittels kommt nur dann in Betracht, wenn es völlig ausgeschlossen erscheint, dass das Beweismittel zu dem Beweisthema sachdienliche Erkenntnisse erbringen kann (BGH NJW-RR 2015, 358 = WM 2014, 2212 Rn 17 m.w.N.). Insoweit ist größte Zurückhaltung geboten (BGHZ 157, 79, 84 f. = NJW 2004, 767). Darüber hinaus scheidet die Ablehnung eines Beweisantrags als ungeeignet aus, wenn dadurch ein noch nicht erhobener Beweis vorab gewürdigt wird, weil dies eine unzulässige Beweisantizipation darstellt (BGH NJW-RR 2015, 158 = WM 2014, 2212).

[10] bb) Das Berufungsgericht hat (nur) darauf abgestellt, dass ein Sachverständiger keine Aussage dazu treffen kann, ob der Bekl. zu 1 das Fahrzeug willentlich auf die andere Spur gelenkt hat oder schlicht abgelenkt war. Es hat sich in diesem Zusammenhang nicht mit dem Vortrag der Bekl. zu 2 auseinandergesetzt, dass (auch) die (Nicht-)Reaktion des Kl. nicht plausibel zu erklären sei und ein Unfallrekonstruktionsgutachten insoweit Weiteres ergeben könne. Das ist auch unter Berücksichtigung der Angaben des Kl. bei seiner Anhörung nicht von der Hand zu weisen, vor allem nachdem der Vorgang nach der Aussage der Zeugen K so viel Zeit in Anspruch genommen hat, dass der Zeuge K noch vor dem Unfall die Lichthupe getätigt und die Warnblinkanlage angeschaltet hat. Vor diesem Hintergrund findet die Nichtberücksichtigung des Antrags der Bekl. zu 2 auf Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens im Prozessrecht keine Stütze, Art. 103 Abs. 1 GG.

[11] c) Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung des Vortrags der Bekl. zu 2 zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre. Bei der neuen Würdigung wird das Berufungsgericht auch zu beachten haben, dass der Tatrichter bei der Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten kann, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag (BGH NJW-RR 2015, 15...

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