BGB § 249

Leitsatz

Ein Abzug von fiktiven Sozialversicherungsbeiträgen bei der Bestimmung fiktiver Reparaturkosten ist nicht vorzunehmen.

(Leitsatz der Schriftleitung)

AG Aschaffenburg, Zweigstelle Alzenau, Urt. v. 8.11.2012 – 130 C 436/12

Sachverhalt

Der bei einem Verkehrsunfall geschädigte Kl. rechnete den ihm entstandenen Schaden auf der Grundlage des von ihm eingeholten Gutachtens ab. Die Haftpflichtversicherung des Schädigers kürzte die Abrechnung des Kl. um von ihr geschätzte, nach ihrer Ansicht von dem Geschädigten ersparte, in der Abrechnung des Gutachters enthaltenen Sozialversicherungsbeiträge. Die Klage auf Ausgleich der Kürzungsbeiträge hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen:

“ … Ein Abzug von fiktiven Sozialbeiträgen innerhalb der errechneten fiktiven Reparaturkosten ist nicht vorzunehmen.

Nach st. Rspr. aller hiesigen Gerichte und inbs. auch des LG Aschaffenburg ist eine solche Herausrechnung nicht veranlasst. Nach st. Rspr. des BGH ist eine fiktive Schadensberechnung grds. möglich, auch wenn eine Reparatur nicht erfolgt. Dabei sind alle fiktiven Positionen zu berücksichtigen. Das Gericht sieht keine Veranlassung diese Rspr. zur fiktiven Schadensberechnung durch immer weiteres Herausrechnen angeblich nicht angefallener Positionen auszuhöhlen. Dabei ist bei der Entscheidung in erster Linie zu berücksichtigen, dass hier eine Betrachtung aus der Sicht des Geschädigten vorzunehmen ist. Dieser hat hier nach dem Schadensereignis ein Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen eingeholt. Danach soll er in Höhe dieser Kosten entschädigt werden, die ihm im Falle der Durchführung einer Reparatur entstehen würden. Der von der Beklagtenseite vorgenommene Abzug von 10 % ist vollkommen willkürlich und mit den Feststellungen des Sachverständigengutachtens nicht vereinbar. Ein solcher Abzug ist auch gesetzlich nicht veranlasst. Gesetzesmotive, wie von der Beklagtenseite ausgeführt, sind keinesfalls so eindeutig, dass eine solche Kürzung veranlasst wäre. Vielmehr würde eine immer weitere Aushöhlung der Abrechnung fiktiver Reparaturkosten dazu führen, dass der Geschädigte, entgegen der st. obergerichtlichen Rspr., einer solchen Wahlmöglichkeit beraubt würde.

Damit war der beklagtenseits vorgenommene Abzug in Höhe der hier geltend gemachten 466,09 EUR nicht rechtens und dem Kl. daher zuzusprechen.“

Mitgeteilt von RA Curd Berger, Alzenau

3 Anmerkung:

Vor Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften (BGBl I 2002, 2674) herrschten Auseinandersetzungen darüber, ob bei fiktiver Abrechnung Kürzungen des Schadens vorzunehmen seien. Neben dem Wegfall der Mehrwertsteuer bei Abrechnung auf Gutachterbasis, die schließlich gesetzlich geregelt worden ist (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB n.F.), sollten weitergehende Kürzungen um "öffentliche Abgaben" vorgenommen werden, die pauschal unter Einschluss der Mehrwertsteuer zwischen 20 % und 30 % liegen sollten (Begr. RegE BT-Drucks 13/10435 S. 13, vgl. auch Bollweg, 38. VGT, 101; Dornwald, 38. VGT, 111). Die Kritik an dieser Kürzung der durch fiktive Abrechnung sich ergebenden Schadensersatzbeträge (vgl. Elsner, 38. VGT, 116–120; Medicus, 38. VGT, 126 f.) konnte lediglich die Kürzung wegen der ohnehin schwer zu umschreibenden "öffentlichen Abgaben" verhindern, nicht aber die Kürzung um den Mehrwertsteuerbetrag bei der fiktiven Abrechnung (vgl. dazu auch Heß, zfs 2002, 367 f.).

Ob der Versuch, Kürzungen bei der fiktiven Abrechnung auch hinsichtlich der Sozialabgaben durchzuführen, nur ein nostalgischer Rückschritt oder ein durch Unterrichtung des Sachbearbeiters künftig zu behebender Fehler gewesen ist, kann ungeklärt bleiben. Er war jedenfalls verfehlt.

RiOLG a.D. Heinz Diehl

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