AUB 88 § 7 Abs. 1

Leitsatz

Bei Vereinbarung einer progressiven Invaliditätsstaffel, die § 7 I (2) und (3) AUB 88 entsprechende Bedingungen in Bezug nimmt, ist Grundlage für die Progression der um die Vorinvalidität geminderte Invaliditätsgrad.

BGH, Urt. v. 15.12.2010 – IV ZR 24/10

Sachverhalt

Der Kl. unterhält seit dem Jahre 1994 bei der Bekl. eine Unfallversicherung, der neben den AUB 88 Besondere Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel zugrunde liegen.

Dort heißt es:

"Führt ein Unfall nach den Bemessungsgrundsätzen der Nummern (2) und (3) zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, werden der Berechnung der Invaliditätsleistung folgende Versicherungssummen zugrunde gelegt:

a) für den 25 % nicht übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die im Versicherungsschein festgelegte Invaliditätssumme,

b) für den 25 %, nicht aber 50 % übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die doppelte Invaliditätssumme,

c) für den 50 % übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die dreifache Invaliditätssumme.“

Der Kl. erlitt zunächst am 27.1.2005 einen Skiunfall und am 8.2.2006 einen Glatteisunfall; durch beide Unfälle kam es zu Dauerschäden an seinem rechten Bein. Der von der Bekl. beauftragte Gutachter bemaß die Gesamtinvalidität des Kl. mit 6/10 von 70 % und ordnete diese zu jeweils 3/10 dem ersten und dem zweiten Unfall zu. Die Bekl. zahlte an den Kl. unter Heranziehung der Gliedertaxe in § 7 I (2) a AUB 88 einen Gesamtbetrag von 55.296 EUR. Der Leistungsberechnung lag für den ersten Unfall eine Versicherungssumme von 122.880 EUR und für den zweiten Unfall von 138.240 EUR zu Grunde, von der die Bekl. jeweils 21 % (3/10 von 70 %) ansetzte. Daraus errechneten sich 25.804,80 EUR für den ersten Unfall und 29.030,40 EUR für den zweiten Unfall, insgesamt 54.835,20 EUR. Der Kl. vertritt die Ansicht, es sei eine Gesamtinvalidität von 42 % Berechnungsgrundlage für die Invaliditätsleistung. Von der für den zweiten Unfall festgestellten Invalidität i.H.v. 21 % seien 4 % auf die einfache Invaliditätssumme, 17 % hingegen auf die doppelte Invaliditätssumme zu beziehen.

2 Aus den Gründen:

[10] … II. 1. Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren ohne vergleichende Betrachtungen mit anderen Versicherungsbedingungen, die dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht bekannt sind und auch nicht bekannt sein müssen, sodass ihm eine bedingungsübergreifende Würdigung deshalb von vornherein verschlossen bleibt … Die Entstehungsgeschichte der Bedingungen – und erst recht ihre spätere Entwicklung in nachfolgenden Fassungen – hat daher außer Betracht zu bleiben. Es geht allein darum, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Klausel in § 7 I (3) AUB 88 i.V.m. der Zusatzklausel, wie sie in den Besonderen Bedingungen enthalten ist, bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (Senat BGHZ 123, 83, 85 m.w.N.). Dabei sind die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – seine Interessen entscheidend.

[11] 2. Ein solcher Versicherungsnehmer entnimmt zunächst § 7 I (1) AUB 88, dass die Bekl. als Versicherer ihm eine Invaliditätsleistung verspricht für den Fall, dass ein Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führt. Unter den in der Klausel weiter genannten Voraussetzungen entsteht ein Anspruch auf Kapitalleistung aus der für den Invaliditätsfall vereinbarten Versicherungssumme. Wie sich die Höhe der Leistung im Einzelnen bemisst, erfährt der Versicherungsnehmer aus § 7 I (2) AUB 88; danach richtet sich diese nach dem Grad der Invalidität. Unter Buchst. a werden feste Invaliditätsgrade genannt, wenn es – wie hier – zum Verlust oder zur Funktionsunfähigkeit von Körperteilen oder Sinnesorganen kommt. Das ist für den (völligen) Verlust oder die (völlige) Funktionsunfähigkeit eines Beines über der Mitte des Oberschenkels ein Invaliditätsgrad von 70 %, wobei nach Buchst. b bei einem Teilverlust oder einer bloßen Funktionsbeeinträchtigung des betreffenden Körperteils nur ein entsprechender Teil des der Gliedertaxe zu entnehmenden Prozentsatzes in Ansatz gebracht wird. Für den ersten Unfall errechnet sich daraus – zwischen den Parteien unstreitig – ein Invaliditätsgrad von 21 %, für den zweiten Unfall hingegen von insgesamt 42 %.

[12] 3. Der Versicherungsnehmer erkennt bei weiterer Durchsicht der Versicherungsbedingungen, dass für die Versicherungsleistung wegen unfallbedingter Invalidität solche Ursachen außer Betracht zu bleiben haben, die sich für das aktuell zu entschädigende Unfallereignis als unfallfremd darstellen. Dieses kommt für ihn in § 7 I (3) AUB 88 zum Ausdruck. Er erkennt daraus, dass Krankheiten und Gebrechen, wenn und soweit sie als Folge eines früheren Unfalls – oder aus anderem Grunde – schon vorher vorhanden waren, nicht dem neuen Unfall zuzurechnen sind. Das bedeutet hier...

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