VVG § 14

Leitsatz

Die Prüffrist des Versicherers beträgt ab Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens maximal 4 Wochen. Sie verlängert sich grundsätzlich nicht durch fehlende Einsicht in die Ermittlungsakten.

(Leitsatz der Schriftleitung)

OLG München, Beschl. v. 29.7.2010 – 10 W 1789/10

1 Aus den Gründen:

" … II. 1. Die gem. § 567 I Nr. 1 ZPO i.V.m. § 91a Abs. 2 S. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die Beschwerdeführer befanden sich im Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses (Erfüllung der klägerischen Schadensersatzforderung) im Verzug und hatten Anlass zur Klageerhebung gegeben.

a) Schon der rechtliche Ausgangspunkt der Argumentation der Beschwerdeführer, die Beschwerdeführerin zu 2) habe einen Prüfzeitraum vor der Regulierung eines Unfalls von “in der Regel 4-6 Wochen’, der “bei weiterem Aufklärungs- und Rücksprachebedarf auch höher anzusetzen’ sei oder gar eine Prüffrist von “grundsätzlich 6 Wochen’ ist fehlsam.

aa) Die Dauer der Prüffrist (vgl. § 14 Abs. 1 VVG n.F.) wird in der Rspr. unterschiedlich angesetzt, von 2 Wochen AG Erlangen (DAR 2005, 690) über mindestens 2–3 Wochen (OLG Saarbrücken MDR 2007, 1190; OLG Düsseldorf NJW-RR 2008, 114; LG München I zfs 1984, 367: mindestens 12–15 Arbeitstage), 3–4 Wochen (LG München I VersR 1973, 871; LG Düsseldorf VersR 1981, 582, 583; LG Bielefeld zfs 1988, 282; i. Erg. auch OLG München VersR 1979, 479), etwa 1 Monat (OLG Frankfurt a.M. OLGR 1996, 77) bis hin zu 4–6 Wochen (OLG Rostock OLG-NL 2001, 92; KG VersR 2009, 1262).

Nach Ansicht des Senats ist mit der h.M. davon auszugehen, dass die Dauer der Prüffrist von der Lage des Einzelfalls abhängig ist, i.d.R. aber maximal 4 Wochen beträgt (vgl. in dieser Richtung OLG München VersR 1979, 479). Dabei ist auch der technische Fortschritt in der Schadensbearbeitung zu berücksichtigen, weshalb auch deutlich kürzere Fristen zu erwägen sind … ; dass die Haftpflichtversicherungen über einen “größeren Büroapparat’ verfügten, der “gewisse Mindestverzögerungen zur Folge hat’ (so OLG Rostock OLG-NL 2001, 92), ist nicht anzuerkennen, weil es sich um ein in der Sphäre des Schuldners angesiedeltes Problem handelt, das nicht auf den Geschädigten abgewälzt werden darf – andernfalls hätte es ein Schuldner in der Hand, sich durch unklare oder schwerfällige Organisationsstrukturen über längere Zeit folgenlos seinen Verpflichtungen zu entziehen.

bb) Die ggf. vom Versicherer als erforderlich angesehene Einsicht in die Ermittlungsakte hat grds. keinen Einfluss auf die Dauer dieser Prüffrist (und den Eintritt des Verzugs), weil sonst berechtigte Interessen des Geschädigten an einer zügigen Regulierung des Schadens ohne triftigen Grund unberücksichtigt blieben …

Vorliegend wird dies besonders deutlich, wenn die Beschwerdeführerin zu 2) erst mit Schreiben vom 25.6.2009, also rund 1 Monat nach dem Unfall vom 27.5.2009, bei der “Polizei’ in P um Akteneinsicht bat, ein Zeitraum, für den es keinen nachvollziehbaren oder gar anerkennenswerten Grund gibt. Auch die weitere Verzögerung in diesem Zusammenhang, nämlich die Bewilligung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft P erst am 16.10.2009 kann nicht zu Lasten der Kl. gehen – es ist gerichtskundig und auch den Versicherern bekannt, dass solche Akteneinsichten oft erst nach Monaten bewilligt werden.

cc) Somit ist gegen den vom Erstrichter im vorliegenden Fall als angemessen angesehenen Prüfzeitraum von 3 Wochen aus Rechtsgründen nichts zu erinnern …

c) Wenn man, worauf die Beschwerdeführer im Ausgangspunkt zutreffend abheben, davon ausgeht, dass die Prüffrist erst durch den Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens in Lauf gesetzt wird … , so lief die 3-wöchige Frist vom 20.10.2009, dem Tag des Zugangs der ersten spezifizierten Schadensgeltendmachung vom 19.10.2009 an gerechnet am 10.11.2009 ab (eine Fehlinformation in diesem Schreiben betreffend die Inanspruchnahme der klägerischen Vollkaskoversicherung ist irrelevant, weil das Anspruchsschreiben dadurch nicht unspezifiziert wird und die Beschwerdeführerin auch die zweifelsfrei nicht von der Vollkaskoversicherung erstatteten Schadensposten nicht zeitnah ersetzt hat), so dass sich die Beschwerdeführer entgegen dem Beschwerdevortrag seit diesem Zeitpunkt, spätestens aber seit dem 12.11.2009 und damit selbstredend sowohl bei Anhängigkeit der Klage (4.12.2009) als auch bei Rechtshängigkeit (9./10.12.2009) in Verzug befanden und Anlass zur Klageerhebung gaben … “

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge