VVG § 28 Abs. 3 S. 2; AKB 2010 E 1.1. 7.1. 7.2

Leitsatz

Zeigt ein Versicherungsnehmer einen Unfallschaden 15 Monate nach seinem Eintritt an, so ist der Versicherer auch dann wegen vorsätzlicher Verletzung der Anzeigeobliegenheit leistungsfrei, wenn Grund der Verspätung die Erwartung vollständigen Schadensausgleichs durch den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners gewesen ist.

(Leitsatz der Schriftleitung)

OLG Braunschweig, Beschl. v. 16.1.2020 – 11 U 131/19

1 Aus den Gründen:

"… Die Kl. hat keinen Anspruch auf Zahlung von 5.400 EUR aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über eine Vollkaskoversicherung gegen die Bekl. Die Bekl. ist gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG i.V.m.E.1.1, E.7.1 der zwischen den Parteien vereinbarten allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2010) leistungsfrei geworden."

Soweit in dem landgerichtlichen Urteil auf die zunächst von der Bekl. vorgelegten Versicherungsbedingungen (AKB 2008) Bezug genommen worden ist, betrafen diese nicht die streitgegenständliche Kaskoversicherung, sondern lediglich die Kfz-Haftpflichtversicherung, wie der Eingangsbemerkung der Versicherungsbedingungen zu entnehmen ist. Die in dem Urteil erwähnten Klauseln E.1.1 und E.3.1 AKB 2008 sind jedoch im wesentlichen wortgleich mit E.1.1 und E.7.1 AKB 2010.

a) Gem.E.7.1. AKB 2010 i.V.m. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG besteht kein Versicherungsschutz, wenn der VN vorsätzlich gegen eine seiner in E.1 bis E.6 geregelten Pflichten verstößt.

aa) Die Kl. hat im vorliegenden Fall objektiv gegen die sich aus E.1.1 AKB 2010 ergebende Obliegenheit zur fristgerechten Anzeige des Schadenereignisses verstoßen.

Solange der VN von dem Versicherungsfall keine Kenntnis hat, kann eine Verletzung der Anzeigepflicht tatbestandlich nicht gegeben sein (vgl. Maier, in: Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 19. A., AKB E.1, Rn 2). Das positive Wissen um die die Obliegenheiten auslösenden Umstände ist Teil des objektiven Tatbestandes dieser Obliegenheiten, den der VR, will er sich auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Obliegenheiten berufen, beweisen muss (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 1062).

Gem.E.1.1 AKB 2010 ist der VN verpflichtet, dem VR jedes Schadenereignis innerhalb einer Woche anzuzeigen, das zu einer Leistung führen kann. Zu den in der Vollkaskoversicherung versicherten Ereignissen zählen u.a. gem. A.2.1.3 b AKB 2010 Unfälle des Fahrzeugs. Hier hat die Kl. nach ihrem Vorbringen mit dem versicherten Fahrzeug am 28.2.2016 einen Unfall erlitten, so dass sie den Unfall binnen einer Woche bei der Bekl. anzuzeigen hatte. Die Kl. hat den angeblichen Unfall jedoch erst am 26.5.2017 der Bekl. gemeldet. Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt.

Soweit die Kl. geltend macht, dass sie keine Veranlassung gehabt habe, die Bekl. als Kaskoversicherer in Anspruch zu nehmen, weil sie die berechtigte Erwartung gehabt habe, dass der Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherer zum vollständigen Schadensersatz verpflichtet seien, ändert dies nichts an der Kenntnis der Kl. von dem Unfall und dem darin liegenden Schadenereignis i.S.d. Versicherungsbedingungen. Voraussetzung für den Beginn der Meldefrist ist nicht, dass der VN sich tatsächlich entschließt, seine Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, sondern der Eintritt eines in der Kaskoversicherung versicherten Ereignisses, das – wie schon der Wortlaut der Klausel aufzeigt – zu einer Leistung führen kann. Der Kl. war aber bewusst, dass ihr eine Leistung aus der abgeschlossenen Kaskoversicherung zustehen könnte, wie die spätere Schadensmeldung zeigt.

bb) Die Kl. hat auch vorsätzlich gegen diese Obliegenheit verstoßen.

Vorsatz erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm (…). Insoweit genügt bedingter Vorsatz, der nach allgemeinen Regeln vorliegt, wenn der VN die Obliegenheitsverletzung für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt, also nicht ernsthaft darauf vertraut, dass der Erfolg ausbleiben werde (OLG Hamm zfs 2018, 69, …) (…). Der Geschädigte handelt auch dann vorsätzlich, wenn er die allgemein bekannte Frist zur zeitnahen Schadenmeldung in der Annahme verstreichen lässt, er sei auf den Anspruch gegen den VR nicht angewiesen, weil er sich anderweitig schadlos halten könne (…).

Der Kl., die bereits wiederholt die Bekl. als Kaskoversicherung in Anspruch genommen hat, war nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil bewusst, dass ein eingetretener Unfall zeitnah der Versicherung zeitnah gemeldet werden muss. Allein der Umstand, dass die Kl. davon ausging, dass der ihr angeblich entstandene Schaden vollständig von dem Unfallgegner und seiner Haftpflichtversicherung ersetzt werden würde, ändert nichts daran, dass die Kl. insoweit die Verletzung der gegenüber der Bekl. als Kaskoversicherung bestehenden Pflichten billigend in Kauf nahm.

b) Die Bekl. ist auch nicht gem.E.7.2 AKB 2010 i.V.m. § 28 Abs. 3 S. 2 VVG zur Leistung verpflichtet. Die Kl. hat den Kausalitätsgegenbeweis nicht geführt.

Die Kl. hat nicht nachgewiesen, dass die Verle...

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