Mit den Neuregelungen zum 1.8.2002 wollte der Gesetzgeber[7] z.B. beim Schutz von Kindern und Fahrzeuginsassen bestehende Haftungs- und Gerechtigkeitslücken beseitigen und dabei den Schadensaufwand vom Sach- zum Personenschaden umschichten.[8] Gleichzeitig wurden die Haftungshöchstsummen an die veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst, das deutsche Schadensersatzsystem z.B. mit der Einführung des verschuldensunabhängigen Schmerzensgeldes an die in anderen europäischen Ländern bestehenden Haftungsstandards angeglichen. Im Einzelnen[9] beinhaltete die Reform folgende Neuregelungen[10] :

Beschränkung der Entlastungsmöglichkeit für den Fahrzeughalter auf "höhere Gewalt" (§ 7 Abs. 2 StVG)
Heraufsetzung der Haftungsgrenze für Kinder im motorisierten Straßenverkehr auf das 10. Lebensjahr (§ 828 Abs. 2 BGB)
Erweiterung der Ansprüche von Fahrzeuginsassen
Einführung der Halterhaftung bei Anhängern (§ 7 Abs. 1 StVG)
Regelung eines verschuldensunabhängigen Schmerzensgeldes (§§ 253 BGB, 11 Abs. 2 StVG)
Deutliche Erhöhung der StVG-Haftungshöchstsummen (§ 12 Abs. 1 StVG)
Begrenzung der Mehrwerterstattung auf den tatsächlichen Anfall im Sachschaden (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB).
Einführung einer Haftung des Sachverständigen (§ 839a BGB)[11]

Alle Beteiligten standen damals im Vorfeld des Inkrafttretens der Reform angesichts der teilweise gravierenden Neuregelungen vor vielen Fragezeichen, da die konkreten Auswirkungen auf die Schadensregulierung völlig unklar waren. Betrachtet man diese im Rückblick, ist das damalige Gesetzeswerk bei objektiver Betrachtung als gut gelungen zu werten, die Neuregelungen konnten in der Praxis weitgehend ohne größere Probleme umgesetzt werden. Sie stellen einen gelungenen Kompromiss zwischen den teilweise doch divergierenden Interessen der einzelnen an der Regulierung beteiligten Gruppen dar.[12] Dem Gesetz ist es zwangsläufig immanent, dass nicht alle im Vorfeld artikulierten Vorstellungen der Beteiligten realisiert werden konnten. So hätten sich die Vertreter der Geschädigten z.B. die Beibehaltung der Erstattung der Umsatzsteuer bei fiktiver Abrechnung gewünscht, die Haftpflichtversicherer hingegen die Streichung des Schmerzensgeldes bei sehr leichten Verletzungen, wie z.B. den nicht objektivierbaren HWS-Schleudertraumata.

[7] Amtl. Begründung, BT-Drucks 14/7752 v. 7.12.2001, S. 1,2,11,12; Bollweg Sonderheft zfs 2002, 1.
[8] In den meisten europäischen Ländern jeweils ca. 50 %, in Deutschland ¾ zu ¼ zu Lasten Sachschaden.
[9] Zu dem nach der Reform möglichen, im Ergebnis aber unverständlichen vollen Anspruch trotz Mithaftung des Leasingnehmers/Finanzierungskäufers vgl. u.a. BGH, Urt. v. 7.3.2017 – VI ZR 125/16 – VersR 2017, 830; BGH, Urt. v. 7.12.2010 – VI ZR 288/09 – VersR 2011, 365; BGH, Urt. v. 10.7.2007 – VI ZR 199/06 – VersR 2007, 1387.
[10] Vgl. Lang/Stahl/Suchomel NZV 2003, 441; Heß/Jahnke, Das neue Schadensrecht, 2002, 3.
[12] Lang/Stahl/Suchomel NZV 2003, 441.

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