In der Vergangenheit war es umstritten, ob Luftfahrtunternehmen die Stornierungsmöglichkeit bei bestimmten (meist günstigeren) Tarifen ausschließen können bzw. welche Folgen eine Kündigung durch den Fluggast hat.[31] Üblicherweise bieten die Fluggesellschaften verschiedene Tarife an: einerseits die eher hochpreisigen Tarife mit relativ flexiblen Umbuchungs- oder Stornierungsmöglichkeiten; andererseits die eher günstigen Tarife ganz ohne bzw. nur mit stark eingeschränkten Umbuchungs- oder Stornierungsmöglichkeiten. Relevant wird die Unterscheidung im Falle einer Stornierung durch den Reisenden (z.B. wegen plötzlicher Erkrankung): Ist die Stornierung wirksam ausgeschlossen, erhält der Fluggast nur die Steuern und Gebühren (also nicht den vollen Flugpreis) erstattet. Einige Gerichte vertraten die Ansicht, dass ein Ausschluss des freien Kündigungsrechts (zumal durch AGB) unwirksam sei, da es sich bei Luftbeförderungsverträgen letztlich um eine Sonderform des Werkvertrages handele und sich Werkverträge gerade durch das freie Kündigungsrecht auszeichnen.[32] Hingegen entschied jetzt der BGH mit Urteil vom 20.3.2018,[33] dass der Vertrag über die Personenbeförderung mit einem Massenverkehrsmittel vom allgemeinen Werkvertragsrecht abweichende Besonderheiten aufweist, die sich in einem dem Werkvertragsrecht (nur) eingeschränkt folgenden Leitbild niederschlagen. Das freie Kündigungsrecht nach § 649 BGB a.F.[34] gehört nicht zu den wesentlichen Grundgedanken eines solchen Vertrags. Eine Klausel in den Beförderungsbedingungen eines Luftverkehrsunternehmens, die für den in einem bestimmten Tarif gebuchten Personenbeförderungsvertrag das freie Kündigungsrecht ausschließt, benachteiligt den Fluggast nach Ansicht des BGH nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher wirksam.

Es ist festzuhalten, dass stornierende Fluggäste aber nach wie vor einen Anspruch auf ungekürzte Rückerstattung der (nach einer Stornierung nicht verbrauchten) Steuern und Gebühren haben.[35] Abweichendes mag nur dann gelten, wenn nach dem am Sitz der Fluggesellschaft geltenden Recht ein vertraglicher Ausschluss dieses Rückerstattungsanspruchs möglich ist.[36] Umstritten bleibt auch, ob die sog. Treibstoff- bzw. Kerosinzuschläge zu erstatten sind.[37]

[31] Darstellung des Meinungsstreits bei Schmid/Puschkarski NJW 2018, 657.
[32] So noch LG Frankfurt a.M., Urt. v. 6.6.2014 – 2-24 S 152/13, BeckRS 2014, 14178; LG Düsseldorf, Hinweisbeschl. v. 13.2.2017 – 22 S 307/16, RRa 2017, 186; vgl. dazu Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 35 Rn 46 m.w.N.
[33] BGH, Urt. v. 20.3.2018 – X ZR 25/17 (PM Nr. 59/2018), BeckRS 2018, 9537 = MDR 2018, 980 = NJW 2018, 2039 m. Anm. Hoffmann-Grambow = RRa 2018, 180 = TranspR 2018, 412 m. Anm. Menges = VersR 2018, 1151 = zfs 2018, 182 (PM); Anm. Hopperdietzel RRa 2018, 206.
[34] Jetzt § 648 BGB n.F.
[35] Das Luftfahrtunternehmen darf für die Rückerstattung kein Bearbeitungsentgelt verlangen, vgl. EuGH (Vierte Kammer), Urt. v. 6.7.2017 – C-290/16, "Air Berlin plc & Co. Luftverkehrs KG / Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V." (PM Nr. 75/17), BeckRS 2017, 115611 = DAR 2017, 571 = GewA 2017, 445 = K&R 2017, 709 = MMR 2017, 670 = RiW 2017, 822 = RRa 2017, 225 = WRP 2017, 1062 = ZIP 2017, 1373; dazu Flöthmann zfs 2018, 64, 68.
[36] So jedenfalls OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.12.2018 – 16 U 15/18 (PM Nr. 63/2018), zfs 2019, 2 (PM) zu einer Fluggesellschaft mit Sitz in Luton (England).
[37] Bejaht von AG Erding, Urt. v. 11.10.2018 – 4 C 2612/18, BeckRS 2018, 27272.

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