BGB § 249 § 254

Leitsatz

1. Der Geschädigte verstößt dann nicht gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn er ein Kfz zum höheren Unfallersatztarif mietet, weil ihm der Normaltarif mit Rücksicht auf die durch den Unfall hervorgerufene Zwangslage nicht ohne Weiteres zugänglich ist.

2. Zu einem Wechsel des Mietwagenunternehmens und damit der Wahl eines günstigeren Tarifs ist der Geschädigte dann nicht verpflichtet, wenn ihm die Werkstatt die später nicht eingehaltene Zusicherung einer alsbaldigen Reparatur seines unfallbeschädigten Pkw gemacht und darüber hinaus die Suche nach einem adäquaten Ersatzfahrzeug, das er zum Normaltarif erhalten kann, vor den gesetzlichen Feiertagen und in der Ferienzeit einen ihm nicht zumutbaren Zeit- und Arbeitsaufwand abverlangt und der bisher geforderte Tarif nicht deutlich über den marktüblichen Tarifen liegt.

(Leitsätze der Schriftleitung)

OLG Frankfurt, Urt. v. 13.11.2012 – 6 U 23/12

Sachverhalt

Die Parteien streiten nach Teilregulierung nach einem Verkehrsunfall u.a. nur noch um den Ersatz restlicher Mietwagenkosten. Der Kl. brachte sein unfallbeschädigtes Kfz nach dem Unfall in eine nahe gelegene Fachwerkstatt und mietete dort bei dem angeschlossenen Mietwagenunternehmen ein klassengleiches Ersatzfahrzeug. Ihm wurde für das Reparaturende die Woche nach Ostern vorausgesagt (Osterdienstag: 26.4.2011). Die Reparatur dauerte jedoch bis zum 6.5.2011. Bis zu diesem Tage nutzte der Kl. das Mietfahrzeug, wofür ihm ein Betrag von 2.318,14 EUR in Rechnung gestellt wurde. Das LG ging davon aus, dass für die erste Woche der von der Autovermieterin angesetzte Betrag angemessen sei. Nach der ersten Woche sei es dem Kl. jedoch möglich und zumutbar gewesen, sich um ein günstigeres Fahrzeug zu bemühen, sodass sich sein Ersatzanspruch nach Normaltarifen in der Fraunhofer-Liste bestimme. Damit seien für die zweite und dritte Woche der Mietzeit jeweils 278,66 EUR als ersatzfähiger Schaden anzusetzen. Hiervon seien im Wege der Vorteilsausgleichung ersparte Eigenaufwendungen von 10 % abzuziehen, woraus sich ein Ersatzbetrag von 1.105,43 EUR ergebe. Das LG, gegen dessen Entscheidung sich die Berufung des Kl. richtet, gelangte unter Berücksichtigung der erfolgten Teilregulierung zu einer Verurteilung i.H.v. 441,74 EUR. Die Berufung hatte weit überwiegenden Erfolg.

2 Aus den Gründen:

"Der Kl. hat gegen die Bekl. einen über den vorgerichtlich gezahlten Betrag hinausgehenden Anspruch auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten i.H.v. 1.142,79 EUR (§§ 7, 17 StVG, § 249 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG). Er war berechtigt, sich ein Ersatzfahrzeug bei der mit der Reparaturwerkstatt verbundenen Mietwagenfirma “Euromobil’ anzumieten und kann die von dort geforderten Tarife ersetzt verlangen."

Nach der Rspr. des BGH kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Kosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig halten darf (Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Aufl., Rn 33 zu § 249 BGB m.w.N.).

Der Geschädigte ist gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er bei der Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen grds. nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Daher muss sich der Geschädigte bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs grds. am sog. “Normaltarif’ orientieren (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Aufl., Rn 32 zu § 249 BGB m.w.n.).

Der Geschädigte verstößt allerdings dann nicht gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn er ein Kfz zum Unfallersatztarif anmietet, weil ihm der “Normaltarif’ mit Rücksicht auf die durch den Unfall hervorgerufene Zwangslage nicht ohne weiteres zugänglich ist (BGH NJW-RR 2008, 689).

Hier hat das LG zutreffend darauf abgestellt, dass der Kl. aufgrund seiner beruflichen Verpflichtung als unfallchirurgischer Notarzt und aufgrund seiner familiären Verpflichtung gegenüber seiner pflegebedürftigen Mutter sofort und uneingeschränkt bis zum Gründonnerstag, 22.4.2011 auf einen Ersatzwagen angewiesen war. Eine “Marktrecherche’ war ihm daher nicht zumutbar, weswegen ihm für die erste Woche Ersatz des von der Fa. Euromobil verlangten Wochentarifs zugesprochen worden ist.

Nach der ersten Woche ist der Tarif vom Mietwagenunternehmen auf den Tagestarif umgestellt worden. Unter den hier vorliegenden, besonderen Umständen kann der Kl. auch die hier abgerechneten Tagessätze bis zum Ende der Mietzeit (6.5.2011) von den Bekl. ersetzt verlangen. Er war nicht gehalten, sich nach Ablauf der ersten Woche um ein anderes, günstigeres Ersatzfahrzeug zu bemühen.

Dreh- und Angelpunkt bei der Bemessung des ersatzfähigen Schadens ist die Frage, wie ein vernünftig handelnder, am Wirtschaftlichkeitsgebot orientierter Geschädigter in der konkreten Situation des Kl. gehandelt hätte (vgl. Geigel-Knerr, Haftp...

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