Hinweis

Ein Anspruch auf Besichtigung des Fahrzeugs besteht nicht.

Das Landgericht München I (Az. 19 S 11609/90) hat bereits in seinem Urteil v. 20.12.1990 ausgeführt, dass es ein generelles Nachbesichtigungsrecht des eintrittspflichtigen Versicherers nicht gibt.

Das Amtsgericht Wiesbaden hat im Verfahren 91 C 1735/98 mit Urteil v. 28.10.1998 festgestellt, dass der ersatzpflichtige Versicherer keine Schadensersatzleistung zurückhalten darf, wenn der Geschädigte eine Nachbesichtigung seines Fahrzeugs verweigert, weil eine Rechtsgrundlage für ein solches Nachbesichtigungsbegehren nicht gegeben ist.

Das Landgericht Kleve (Az. 3 O 317/98) hat zudem klargestellt, dass sich der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall auf die von seinem Sachverständigen vorgenommenen Feststellungen zur Schadenshöhe verlassen darf. Einer vorherigen Begutachtung des Fahrzeugs durch den Versicherer bedürfe es nicht.

Ein Nachbesichtigungsrecht kann insbesondere nicht aus § 158d VVG a.F. (§ 119 VVG n.F.) hergeleitet werden. Aus vorerwähnter Norm kann der Versicherer vom Geschädigten nur Auskunft verlangen, soweit dies zur Feststellung des Schadensereignisses und zur Höhe des Schadens erforderlich ist. Bereits nach dem Gesetzestext schuldet der Geschädigte daher allenfalls die Vorlage von Belegen und nicht etwa die Vorstellung des Fahrzeugs zu einer Besichtigung durch einen Beauftragten des Versicherers. Es trifft zwar zu, dass eine solche Verfahrensweise einen Geschädigten in der Regel nicht über Gebühr belasten dürfte, andererseits ist eine solche Verpflichtung vom Gesetzestext nicht gedeckt und der Geschädigte schuldet daher auch keine Begründung dafür, warum er von einer Vorstellung seines Fahrzeugs absehen will. Legt der Geschädigte ein mit Lichtbildern versehenes Gutachten eines Sachverständigen vor, genügt er der Pflicht aus § 158d VVG a.F. (§ 119 VVG n.F.). Die Überlassung des beschädigten Gegenstandes zu Prüfungszwecken ist etwas grundsätzlich anderes als die Vorlage von Belegen, weshalb die Vorstellung des Wagens nicht geschuldet ist und auch nicht verlangt werden kann (so auch LG Berlin, Urt. v. 13.7.2011, Az. 42 O 22/11; AG Solingen, Urt. v. 2.9.2008, Az. 11 C 236/05; AG Hannover, Urt. v. 10.12.2010, Az. 408 C 5293/10; AG Ansbach, Beschl. v. 15.7.2010, Az. 3 C 2406/09; AG Fürstenwalde, Beschl. v. 26.11.2007, Az. 12 H 1/07).

 

Erläuterung:

Es ist immer wieder festzustellen, dass Versicherer in KH-Fällen eine Besichtigung des beschädigten Fahrzeugs wünschen oder die Regulierung gar von einer solchen abhängig machen. Ein Recht zur Besichtigung ist dem Gesetz jedoch grundsätzlich fremd.

Ein Besichtigungsrecht wird allenfalls dann aus § 242 BGB angenommen, wenn der Verdacht einer betrügerischen Geltendmachung eines Unfallschadens vorliegt und substantiiert behauptet wird, dass Vorschäden verschwiegen werden (BGH zfs 1989, 299). Dann müssen jedoch Anhaltspunkte für die Unredlichkeit des Geschädigten vorliegen oder es muss substantiiert vorgetragen werden, der Unfall sei nur vorgetäuscht oder es gäbe auch unfallfremde Vorschäden. Dieser Argumentation kann aber mit einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen zu den vom Versicherer erhobenen Einwänden entgegengetreten werden.

Bei der Frage, ob dem Versicherer eine Besichtigung der beschädigten Sache zugebilligt wird oder nicht, handelt es sich auch nicht um einen Streit um des Kaisers Bart, weil es auf den ersten Blick so scheint, dass dem Geschädigten mit der Besichtigung der beschädigten Sache kein Nachteil entsteht. Dem ist jedoch nicht so: Nach erfolgter Besichtigung durch den Versicherer werden meist entsprechende Lichtbilder ins Internet eingestellt, um die vom Sachverständigen ermittelten Werte zu unterlaufen. Weiter ist von Seiten des Versicherers die Tendenz zu erkennen, einen Totalschaden zu konstruieren, um nicht in die kostenträchtige Abrechnung auf 130-%-Basis zu geraten.

Darüber hinaus werden die Lichtbilder nebst Kalkulation des Sachverständigen automatisiert (z.B durch CarExpert oder Controlexpert) geprüft, um – meist unberechtigte – Abzüge bei den Reparaturkosten vornehmen zu können.

Dem Geschädigten ist daher zu empfehlen, eine Besichtigung zu verweigern.

Autor: Jens Dötsch

RA Jens Dötsch, FA für Verkehrsrecht, Andernach

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