Einführung

Das OLG Düsseldorf hatte innerhalb eines Jahres mehrere Sachverhalte zu entscheiden, bei denen es darum ging, ob einem mit dem Fahrrad Verunglückten ein Verschulden vorzuwerfen ist, wenn er beim Fahrradfahren keinen Helm trägt. Im ersten Fall ging es um ein 10-jähriges Kind.[1] Im Leitsatz[2] wird ausgeführt.

Angesichts der bei Kindern und Erwachsenen üblichen Helmtrage-Quoten bestehen Zweifel daran, ob eine Verkehrsanschauung dahin angenommen werden kann, das Tragen eines Fahrradhelmes sei zur Eigensicherung nötig. Bei einem noch nicht 11-jährigen Kind, das mit seinem Fahrrad auf einem Privatgelände/Garagenhof außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums fährt, kann kein Mitverschulden nach § 254 BGB wegen Fahrens ohne Helm angenommen werden.

Das LG Krefeld hatte zuvor anders entschieden.[3]

Für den Verfasser ist es wichtig vorab klarzustellen, dass es im Hinblick auf die entsprechende Haftung in diesem Fall zu begrüßen ist, dass der schwerverletzte 10-jährige Junge einen Großteil seines Schadens ersetzt bekam. Allerdings sagte das OLG auch aus, dass dies für den vorliegenden Fall zu gelten hat. Es hat in seiner Begründung auf die Besonderheit dieses Falles hingewiesen. Zunächst wurde dargelegt, dass es sich um ein noch nicht 11 Jahre altes Kind handelte, welches noch zu spontanen, unüberlegten, unvorsichtigen bzw. unsicheren Verhaltensweisen neigen kann, weil Kinder dieses Alters nicht ohne weiteres in der Lage sind, Gefahren in vollem Umfang zu erkennen. Das gilt insbesondere für ihr Spielen auf einen Privatgelände bzw. Garagenhof außerhalb des öffentlichen und weit gefahrenträchtigeren Straßenverkehrs. Unter diesen besonderen Umständen kann der Senat einen Verstoß gegen § 254 Abs. 1 BGB wegen Fahrens ohne Schutzhelm nicht bejahen.

[1] 14.8.2006, I-1 U 9/06, NZV 2007, 38.
[2] Leitsätze aus NZV 2007, 389.
[3] NZV 2006, 205.

BAST-Studie

Das OLG Düsseldorf nennt in seiner Entscheidung auch die BAST-Studie zum Helmtragen aus dem Jahr 2005, die die Zahlen aus dem Jahr 2004 enthält. Die BAST-Studie 1/2006, die die Zahlen in diesem Zusammenhang für das Jahr 2005 darlegt, kann bei der Helmtragequote bei Fahrradfahrern Folgendes aussagen. Über alle Altersgruppen hinweg lag die Helmtragequote, genau wie im Jahr 2004, bei 6 %. Bei der Altersgruppe bis 10 Jahre konnte jedoch eine Steigerung von 12 %, auf nunmehr 53 %, im Vorjahr somit 41 %, verzeichnet werden. Beobachtet wurden bei dieser Studie 13.845 Fahrradfahrer. Für das Jahr 2006 liegt die BAST-Studie[4] dazu, Nr. 04/07, ebenfalls vor. Über alle Altersgruppen hinweg betrug die Helmtragequote 7 %, also eine geringe Steigerung, allerdings ging sie bei der Altersgruppe bis zu 10 Jahren wieder auf 42 % zurück, erreichte also einen Stand ähnlich wie 2004.

Das bedeutet, dass die Präventionsarbeit der Verbände und staatlichen Organisationen, denen die Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr besonders wichtig ist, weiter voran getrieben werden muss, wenn man sich für das Tragen von Fahrradhelmen einsetzen will.

[4] BAST-Studien unter www.bast.de.

Fälle aus der Praxis

In dieser Anmerkung geht es darum deutlich zu machen, dass ein Fahrradhelm viel Leid verhindern helfen kann. Bei einer Vielzahl von Unfällen dürfte dies für die Helmtragenden belegt sein. Es gibt aber auch Menschen, die im Nachhinein froh gewesen wären, wenn sie beim Verkehrsunfall einen Helm getragen hätten. Der Bericht von Frau Ellen Haase[5] geht auf die Problematik besonders ein. Hier wird auf das Schicksal der Beate Bosse hingewiesen, die nach einem Fahrradunfall seit 10.6.2000 im Wachkoma liegt. Sie wollte nur 400 m zum Supermarkt fahren. Auf der Rückfahrt passierte es dann. Den Film dazu kann man sich im Internet ansehen.[6] Andere Argumente pro Fahrradhelm hat Frau Haase ebenfalls dargelegt.[7] Dass dies kein Einzelfall war, zeigt ein weiteres Beispiel aus Verl. Ein 13-Jähriger Schüler aus Verl war bei einem schweren Unfall im Juli 2007 lebensgefährlich verletzt worden. Er kam aus einem Seitenweg und wollte wohl eine Hauptstraße überqueren, als er von einem Pkw erfasst wurde, dessen 18-jähriger Fahrer auf der Hauptstraße unterwegs war. Der Fahrzeugführer sagte gegenüber Polizeibeamten, dass er den Radler erst im letzten Moment sah, weil der Mais auf dem Feld so hoch stand. Der Radfahrer prallte mit seinem Kopf gegen die Windschutzscheibe und wurde rund 30 Meter durch die Luft geschleudert. Der Kleinwagen kam nach rund 20 Metern zum Stehen, während das Mountainbike nach rund 40 Metern liegen blieb. … Nach vier Tagen verstarb der Junge. Mehr Glück hatte ein 13-jähriges Mädchen in Gütersloh Mitte September 2007. Sie fuhr bei grüner Lichtzeichenanlage auf einem Radweg. Die Sonne stand ihr im Rücken. Der Fahrer eines linksabbiegenden Pkw, der von der Sonne geblendet war, übersah das Mädchen. Es prallte mit dem Kopf in die Windschutzscheibe und anschließend mit dem Hinterkopf auf die Kante einer Mittelinsel. Der Helm des Mädchens war kaputt. Nach drei Tagen konnte es das Krankenhaus wieder verlassen. Die einzige Blessur war eine leichte Gehirnerschütt...

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