"… II. Die zulässige Berufung ist unbegründet, denn die Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch in der geltend gemachten Höhe aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, §§ 249 Abs. 2 S. 1, 398 BGB."

[20] 1. Der Zedent hat seine Ansprüche gegen die Bekl. aus dem Unfallereignis auf Erstattung der Reparaturkosten an die Kl. gem. § 398 BGB bei Auftragserteilung abgetreten.

[21] Der Zeuge (…) hat bei seiner Einvernahme durch den Senat ausgesagt, er habe der Kl. schon bei Auftragserteilung eine Abtretungserklärung unterschrieben. Auf Vorhalt hat er zudem bestätigt, dass das Abtretungsformular seine Unterschrift trage.

[22] Da auch zukünftige Ansprüche abtretbar sind (MüKoBGB/Roth/Kieninger, 8. Aufl. 2019, § 398 Rn 78 m.w.N.), kommt es nicht darauf an, wann genau die Abtretung erfolgt und der Anspruch des Zedenten auf Zahlung der Reparaturkosten entstanden ist.

[23] 2. Die Haftung der Bekl. dem Grunde nach aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, § 398 BGB ist zwischen den Parteien unstreitig.

[24] Die Voraussetzungen für den vollständigen Ersatz Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs liegen, aber 130 % des Wiederbeschaffungswerts unterschreiten, liegen vor.

[25] a) Nach der st. Rspr. des BGH kann der Geschädigte auch dann, wenn die kalkulierten Reparaturkosten den kalkulierten Wiederbeschaffungswert um bis zu 30 % überschreiten, auf Reparaturkostenbasis abrechnen (BGHZ 115, 364 [371] = NJW 1992, 302; BGHZ 162, 161 [166] = NJW 2005, 1108; BGHZ 162, 170 [173] = NJW 2005, 1110; NJW-RR 1999, 500 = VersR 1999, 245 [246]). Voraussetzung ist, dass er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeugs wie vor dem Unfall wiederherstellt, um es nach der Reparatur weiter zu nutzen. Ersatzfähig sind nur die konkret angefallenen Kosten. Ihnen muss eine Reparatur zugrunde liegen, die fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt worden ist, wie sie der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (BGHZ 162, 161 = NJW 2005, 1108 = VersR 2005, 663). Außerdem: muss der Geschädigte sein Interesse an der Wiederherstellung eben dieses Fahrzeugs zum Zwecke der Weiternutzung dokumentiert haben. Dieses für den Zuschlag von bis zu 30 % ausschlaggebende Integritätsinteresse bringt der Geschädigte im Regelfall dadurch hinreichend zum Ausdruck, dass er das Fahrzeug nach der Reparatur für einen längeren Zeitraum nutzt. Dabei werden 6 Monate ab dem Unfallereignis als ausreichend angesehen (BGH NJW 2008, 437 = VersR 2008, 134 [135]; NJW 2008, 439 = VersR 2008, 135 [136]; NJW 2008, 2183 = VersR 2008, 937).

[26] Die weitere Nutzung des Fahrzeugs über mindestens 6 Monate ist allerdings nur ein Indiz für das notwendige Integritätsinteresse. Es sind, wie der BGH ausgeführt hat (BGH NJW 2009, 910 Rn 16), zahlreiche Fallgestaltungen denkbar, bei denen die Nutzung des Fahrzeugs aus besonderen Gründen bereits lange vor Ablauf der 6-Monatsfrist eingestellt wird, etwa in Folge eines weiteren Unfalls oder deshalb, weil eine Fahrzeugnutzung aus finanziellen Gründen (z.B. Arbeitslosigkeit) nicht mehr möglich ist. Solche Ereignisse müssen den Anspruch nicht vereiteln. Denn entscheidend ist, ob ein Integritätsinteresse bei Erteilung Reparaturauftrags bestand, ob also der Geschädigte zu diesem Zeitpunkt den Willen besaß, sein Fahrzeug weiterhin zu nutzen. Dies kann sich auch aus anderen Umständen ergeben.

[27] b) Hier hat der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Zweifel daran, dass der Kl. im Zeltpunkt der Auftragserteilung diesen Willen besaß.

[28] Der Geschäftsführer der Kl. hat angegeben, der Zeuge (…) sei auf Empfehlung in seine Werkstatt gekommen. Es sei ein Auftrag angelegt worden. Im Namen des Kunden habe die Kl. einen Sachverständigen beauftragt. Dieser habe sein Gutachten erstellt und “grünes Licht' für die Reparatur gegeben. Die Reparatur sei dann sach- und fachgerecht durchgeführt worden. Ihm sei die “130 %-Rechtsprechung' bewusst. Der Kunde habe ihm gesagt, dass er das Fahrzeug behalten und weiterfahren müsse und wolle. Sonst hätte er die Reparatur nicht veranlasst, weil ihm klar sei, dass der Kunde dann Probleme bekomme. Sein Betrieb repariere regelmäßig auf der Grundlage der “130 %-Rechtsprechung'. Insbesondere ältere Menschen seien froh, dass das möglich sei, weil sie ihr altes Fahrzeug, das ihnen bekannt sei, behalten und weiterfahren wollten. Über die Bezahlung sei mit dem Kunden nicht gesprochen worden. Der Kunde habe eine Abtretungserklärung für die Ansprüche gegenüber der gegnerischen Versicherung unterschrieben. Hätte er gewusst, dass der Kunde nicht über ausreichend Geld verfügt habe, hätte er den Reparaturauftrag nicht angenommen.

[29] Der Zeuge (…) hat ausgesagt, er sei auf Empfehlung nach dem Unfall zu Herrn (…) gefahren. Dort sei er informiert worden, dass die “130 %-Rechtsprechung' eingreife und er das Auto nur reparieren lassen könne, wenn er es weiternutze. Das sei für ihn kein Problem gewesen, denn er habe das Auto weiter fahren wollen. Es sei sein Wunschauto gewesen und er h...

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