"…"

[6] II. Das BG hat einen Anspruch der Bekl. auf Vertragsanpassung verneint, weil deren Rechte aus § 19 Abs. 4 S. 2 VVG gem. § 21 Abs. 3 S. 1 VVG nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss erloschen seien. Dem stehe der Eintritt des Versicherungsfalles im Jahr 2013, anlässlich dessen die Bekl. von der für die Vertragsanpassung maßgeblichen Fraktur mit Gelenkbeteiligung erfahren habe, nicht entgegen. Denn für die Regulierung des Versicherungsfalles habe diese Information keine Bedeutung gehabt. Die Auslegung von § 21 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 VVG ergebe, dass vor Fristablauf eingetretene Versicherungsfälle den Ablauf der Frist nicht hinderten, sofern sich die Verletzung der Anzeigepflicht auf einen Umstand beziehe, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich sei.

[7] III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S.v. § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a S. 1 ZPO).

[8] 1. Das BG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil seine Auslegung des § 21 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 VVG von der Kommentarliteratur überwiegend abweichend beurteilt werde. Auf diese Frage kommt es im Streitfall jedoch nicht entscheidungserheblich an, so dass ein Revisionszulassungsgrund nicht gegeben ist (…). Ein Recht der Bekl. zur Vertragsanpassung nach § 19 Abs. 4 VVG besteht bereits deshalb nicht, weil der Kl. seine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit schon objektiv nicht verletzt hat.

[9] Die Rechte des Versicherers nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG, auf die die Fristenregelung in § 21 Abs. 3 S. 1 VVG verweist, entstehen nur dann, wenn der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit verletzt, dem Versicherer die ihm bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung bekannten Gefahrumstände anzuzeigen (§ 19 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VVG). Daran fehlt es hier, denn nach den Feststellungen der Vorinstanzen war dem Kl. zum Zeitpunkt der Antragstellung der von der Bekl. in Ziffer 6.16) des Antragsformulars erfragte gefahrerhebliche Umstand einer Gelenkbeteiligung an seinem Knochenbruch nicht bekannt.

[10] a) Die vom Gesetz als Anzeigepflicht bezeichnete Obliegenheit des Versicherungsnehmers nach § 19 Abs. 1 VVG setzt positive Kenntnis von einem gefahrerheblichen Umstand voraus (vgl. Senat r+s 2009, 361 Rn 11; m.w.N. …).

[11] Diese positive Kenntnis des Versicherungsnehmers gehört nach der Senatsrechtsprechung zum objektiven Tatbestand der Anzeigeobliegenheit, den der Versicherer zu beweisen hat (vgl. Senat VersR 2007, 389 Rn 13 zur Aufklärungsobliegenheit unter Geltung des § 6 Abs. 3 VVG a.F.; siehe auch Knappmann in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 14 Rn 55; …). Denn die Obliegenheit, dem Versicherer bestimmte Umstände oder Tatsachen anzuzeigen, setzt stets voraus, dass der Versicherungsnehmer Kenntnis von diesen Umständen oder Tatsachen hat. Fehlt ihm diese Kenntnis, läuft die Anzeigeobliegenheit ins Leere. Schon objektiv kann der Anzeigepflichtige sie nicht verletzen, denn es gibt nichts, worüber er nach seinem Kenntnisstand seinen Versicherer aufklären könnte (…).

[12] b) So liegt der Fall hier.

[13] Nach den vom BG seiner Entscheidung zugrunde gelegten Feststellungen ging der Kl. bei Antragstellung davon aus, eine Gelenkbeteiligung habe bei seiner im November 2008 erlittenen Fraktur nicht vorgelegen.

[14] Der Kl. hatte schon in der Klageschrift geltend gemacht, die Gesundheitsfragen “nach bestem Wissen und Gewissen' beantwortet zu haben und immer von einem Wadenbeinbruch ausgegangen zu sein, weshalb ihm keine Anzeigeobliegenheitsverletzung angelastet werden könne. Auch bei seiner Anhörung vor dem LG hat der Kl. angegeben, Schäden am Gelenk und an den Bändern seien ihm bei Beantragung der Versicherung nicht bekannt gewesen, er habe die entsprechende Gesundheitsfrage entsprechend seinem damaligen Kenntnisstand beantwortet. Der insoweit beweisbelasteten Bekl. ist es nicht gelungen, dies zu widerlegen. Vielmehr hat das LG nach Anhörung des Kl. sowie Vernehmung des Versicherungsvertreters und des Hausarztes des Kl. festgestellt, der Kl. sei bei Abgabe der Gesundheitserklärung davon ausgegangen, dass eine Gelenkbeteiligung bei seinem Knochenbruch im November 2008 nicht vorgelegen habe.

[15] Gegen diese Feststellung hat die Bekl. in ihrer Berufungsbegründung nichts erinnert, möglicherweise deshalb, weil das LG ungeachtet seiner Feststellung rechtsfehlerhaft von einer “schuldlosen bzw. allenfalls leicht fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung' des Kl. ausgegangen ist. Demgegenüber hat der Kl. aber in der Berufungserwiderung weiterhin die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für die Vertragsanpassung nach § 19 VVG lägen nicht vor, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne ihm kein Fehlverhalten angelastet werden. Darauf ist die Bekl. im Weiteren nicht mehr eingegangen.

[16] c) Auch die von den Vorinstanzen mit Blick auf den I...

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