"… Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LG nicht auf die Gliedertaxe in ihrer ursprünglichen Fassung mit der Formulierung "Hand im Handgelenk" abgestellt (1). Allerdings hat es im Folgenden für die betroffene Verletzung unzutreffend den Wert der Hand anstatt den Unterarmwert als maßgeblich erachtet (2). (…)"

1. Anders als der Kl. meint, können auf den gegenständlichen Versicherungsfall nicht mehr die Gliedertaxe mit ihrer ursprünglichen Begrifflichkeit "Hand im Handgelenk" entsprechend den AUB 94/88 und die hieran anknüpfende Gelenkrechtsprechung des BGH Anwendung finden.

Der BGH hat (zfs 2003, 507) die Formulierung Hand im Handgelenk als missverständlich in den Fällen erachtet, in denen, etwa nach einer Versteifung des Handgelenks, die Funktionsfähigkeit eines Gelenks ganz aufgehoben war. Der BGH hat deshalb dem VN das für ihn günstigste Verständnis der Gliedertaxe zugutegehalten und trotz verbliebener Handfunktionen (Fingerbeweglichkeit) den vollen Invaliditätsgrad für die Hand zugesprochen. Um ein solches Ergebnis auszuschließen, sind in den der AUB 94/88 nachfolgenden Bedingungswerken – wie auch in denen der Bekl. – die Zusätze im Schultergelenk, im Handgelenk und im Fußgelenk gestrichen worden. Damit war der sogenannten Gelenkrechtsprechung des BGH nach den neueren Bedingungswerken der Boden entzogen.

a) Für die zumindest in erster Instanz vom Kl. präferierte Anwendung der AUB 94/88 im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung, ist bereits deshalb kein Raum mehr, weil die AUB 2008 – wogegen sich der Kl. mit der Berufung auch gar nicht mehr wendet – anlässlich der Vertragsänderung im März 2008 wirksam einbezogen worden sind. (…)

2. Angesichts der hier betroffenen Unfallverletzung hat das LG jedoch nach der Gliedertaxe fehlerhaft nicht auf den Wert des Unterarms, sondern auf den Wert für die Hand abgestellt.

Im Ausgangspunkt ist indessen nicht zu beanstanden, wenn das LG die Versteifung des Handgelenks als maßgeblichen Invaliditätsschaden ansieht. Denn wenngleich diese Versteifung unmittelbar durch den Unfall, sondern erst vermittelt durch entstandene Komplikationen im Heilungsverlauf und eine anschließende Operation hervorgerufen wurde, geht sie doch letztendlich kausal und zurechenbar auf den ursprünglichen Unfall zurück, weshalb – auch von den Parteien nicht infrage gestellt – der Zustand nach der Versteifungsoperation, wie vom SV Dr. D. in seinem Gutachten beschrieben, bei der Invaliditätsbewertung Berücksichtigung zu finden hat.

Die Frage, ob der Unterarm oder, wie Bekl. und LG meinen, der Wert der Hand der richtige Ausgangspunkt für eine Invaliditätsbemessung bedeutet, spiegelt letztlich den Meinungsstreit in der Unfallversicherung wider, ob für die Gliedertaxe auf den Sitz der (primären) Verletzung oder aber den Ort, an dem sich die Funktionsunfähigkeit bzw. Beeinträchtigung manifestiert, abzustellen ist. Hierzu hat sich der BGH anlässlich einer betroffenen Schulterverletzung in einem Urteil vom 1.4.2015 (zfs 2015, 4501) richtungsweisend positioniert:

Dort hatte das BG die Schulterverletzung in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung nach dem Oberarmwert der Gliedertaxe bemessen und darauf abgestellt, dass das Schultergelenk in erster Linie der Beweglichkeit des Armes diene, wohingegen weitergehende Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des Schultergürtels nur untergeordneter Bedeutung seien. Dem ist der BGH nicht gefolgt. Ausgehend von der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen VN sei es, anders als bei den Vorgängerfassungen (Arm im Schultergelenk), bei der Begrifflichkeit Oberarm keineswegs eindeutig, dass damit auch Verletzungen im Schultergelenkbereich mit einbezogen sein sollen. Deshalb müsse die Invalidität in einem solchen Falle nicht nach der Gliedertaxe, sondern unabhängig hiervon nach den anderen Körperteilen bemessen werden.

Diese Ausführungen des BGH, die der Senat teilt, sind nicht nur auf Verletzungen des Schultergelenks zu beschränken, sondern auch auf andere Gelenkverletzungen anzuwenden. Mithin ist die Invalidität für den gegenständlichen Unfall nicht nach dem Hand-, sondern dem Unterarmwert der Gliedertaxe zu bestimmen.

Der Argumentation des LG in dem angefochtenen Urteil, das Handgelenk sei, wie sein Name quasi schon nahelege, zur Hand zu zählen, überzeugt den Senat hingegen nicht. Handgelenk und Hand sind keineswegs gleichbedeutend. Die Bedeutung des Handgelenks geht vielmehr von seinem Wortlaut und von seiner körperlichen Funktion über die Bedeutung der Hand hinaus. Es stellt das Bindeglied zwischen Hand und Oberarm dar. Maßgeblich muss danach letztlich sein, dass die ursprüngliche Unfallverletzung als Radialbruch im Unterarm und nicht in der Hand lokalisiert war. Die Versteifungsfolge geht damit auf eine Verletzung, die ihren Sitz im Unterarm hatte, zurück.

Daneben verkennt das LG aber auch, dass nicht nur die Hand unfallbeeinträchtigt ist, sondern auch der Unterarm eine eigenständige Unfallbeeinträchtigung aufweist. Es ist zwar anerkannt, dass ausstrahlende Beeinträch...

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