1. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1976 ging der BGH davon aus, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls, der ein Fahrzeug unrepariert in Zahlung gebe, seinen Schadensersatzanspruch nicht dadurch verliere. Diese später mehrfach bestätigte Aussage umschreibt einen der hauptsächlichen Beweggründe für die fiktive Abrechnung (vgl. BGHZ 66, 239 = VersR 1966, 874 f.). Diese praktikable und den Interessen aller Beteiligten dienliche Gestaltung ist für andere Rechtsgebiete des Zivilrechts nicht von allen Senaten des BGH geteilt worden. Der VII. Zivilsenat vertrat für das Werkvertragsrecht die Auffassung, vom Fortbestehen etwaiger Schadensersatzansprüche des Bestellers gem. § 635 BGB a.F., wenn das Bestellergrundstück inzwischen veräußert oder durch eine Zwangsversteigerung auf einen Dritten übergegangen war (vgl. BGHZ 99, 81). Abweichend hiervon vertrat der V. Zivilsenat die Auffassung, dass der Geschädigte bei der Veräußerung des beschädigten Grundstücks lediglich den schadensbedingten Mindererlös, nicht aber die Reparaturkosten ersetzt verlangen könne (vgl. BGHZ 81, 385; BGH NJW 1993, 1793). Inzwischen hat sich der V. Senat der Auffassung der anderen Senate angenähert: Hatte der Geschädigte den Ersatzanspruch an den Erwerber abgetreten, kann dieser den Ersatzanspruch geltend machen (vgl. BGHZ 147, 120, 123).

Sowohl für den Fall der Selbstreparatur (BGH VersR 1973, 904) als auch für den Fall der Inzahlungsgabe des unreparierten Fahrzeugs (BGH VersR 1985, 593; so schon BGH VersR 1976, 874; vgl. auch die Empfehlung des VGT 1982: VersR 1982, 229; Schiemann DAR 1982, 309) ist eine fiktive Abrechnung gebilligt worden.

2. Die fiktive Abrechnung bezieht sich ausschließlich auf Sachschäden. Die in dem besprochenen Urteil unter 3.1 erfolgte Bezugnahme auf fiktive abgerechnete Personenschäden ist damit irreführend. Bei Nichtvermögensschäden besteht keine Verwendungsfreiheit des Geschädigten. Sie wird durch § 253 EGBGB eingeschränkt. Wird der Betrag für ärztliche Behandlung, Krankenhausaufenthalt oder Heilmittel nicht in Anspruch genommen, sondern fiktiv abgerechnet, ist er zurückzuerstatten (vgl. BGH NJW 1986, 1538; OLG Hamm NZV 2003, 192; OLG Köln VersR 2000, 1021; Steffen NJW 1995, 2057; Schiemann DAR 1982, 309; MüKO-BGB/Oetker, 7. Aufl., § 249 Rn 380).

3. Grund und Begrenzung der fiktiven Abrechnungsmöglichkeit ergeben sich aus der Wechselwirkung von Dispositionsfreiheit, Wirtschaftlichkeitspostulat und Bereicherungsverbot. Diese Grundsätze des Schadensersatzrechts sind durch Auslegung des § 249 BGB gewonnen worden.

a) Die dem Geschädigten zugewiesene Dispositionsfähigkeit zeigt sich darin, dass er zum einen selbst frei entscheiden kann, ob er die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch eine Reparatur vornimmt oder vornehmen lässt. Dass er vom Schädiger verlangen kann, dass dieser die Reparatur vornimmt, ist ein eher seltener Fall. Vielmehr ordnet § 249 BGB an, dass der Geschädigte den von dem Schädiger den Geldbetrag verlangen kann, der zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erforderlich ist (sog. Erstattungsbefugnis).

Der Geschädigte wird in der Regel die Ersetzungsbefugnis wählen, da er aufgrund der vorangegangenen Schädigung nicht das notwendige Vertrauen in die Verlässlichkeit des Schädigers aufbringen wird.

Auf der ersten Stufe der betätigten Dispositionsfreiheit kann er sich frei entscheiden, ob er das beschädigte Fahrzeug instandsetzt oder nicht; im letzten Fall erhält er den nach dem Gutachten zu einer Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag (vgl. BGH NJW 1973, 1647; BGHZ 66, 1396; AG Achim zfs 1998, 15). Da die Schadensbeseitigung nicht nur durch Reparatur, sondern auch durch Ersatzbeschaffung erfolgen kann, kann der erhaltene Betrag bei der Ersatzbeschaffung eingesetzt werden.

Nach dem gesetzlichen Modell des § 249 BGB ist der Geschädigte weder zur Reparatur noch zur Ersatzbeschaffung verpflichtet. Der erhaltene Betrag ist nicht zweckgebunden, sondern kann beliebig verwandt werden (vgl. BGH VersR 1976, 874; BGH VersR 2003, 918; Gebhardt zfs 1990, 145). Damit ist die Grundlage der fiktiven Abrechnung gesetzlich festgeschrieben; der Geschädigte kann seinen Schadensersatzanspruch grds. fiktiv abrechnen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn aus übergeordneten Gesichtspunkten eine Unanwendbarkeit der Grundsätze der Dispositionsfreiheit des Geschädigten anzunehmen ist. Die Entscheidung des LG setzt sich mit den offenkundigen Voraussetzungen und Folgen der Dispositionsfreiheit des Geschädigten nicht auseinander, sondern glaubt aus weiteren Überlegungen von einer fehlenden Fortgeltung der Grundsätze der fiktiven Abrechnung ausgehen zu können. Da die Entscheidung des LG die grundlegenden Auswirkungen der gesetzlich dem Geschädigten zugewiesenen Dispositionsfreiheit nicht beachtete, ist die apodiktische Feststellung der Entscheidung, wonach kein Raum mehr für die fiktive Abrechnungsmöglichkeit mehr bestehe, gesetzwidrig und nicht zu rechtfertigen. Anlass und Grund für die Entscheidung des LG...

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