I. Das Porsche-Urt. v. 29.4.2003

Seit dem sog. Porsche-Urteil[1] besteht in der Regulierungspraxis erheblicher Streit, in welchen Fällen der Geschädigte bei fiktiver Abrechnung von Reparaturkosten die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen darf. Hierbei geht es um die Frage, inwieweit es dem gegnerischen Haftpflichtversicherer möglich ist, den Geschädigten konkret auf eine günstigere (nicht markengebundene) Fachwerkstatt zu verweisen, um sodann der fiktiven Abrechnung deren (günstigere) Stundenverrechnungssätze zugrunde zu legen. Entsprechend kontrovers ist die bisherige Instanzrechtsprechung und Literatur.[2]

Der Streit basiert im Wesentlichen auf einem in den Entscheidungsgründen des Porsche-Urteils enthaltenen Satz, bei dem unklar blieb, inwieweit er den scheinbar eindeutigen Grundsatz, der auch den Leitsatz der Entscheidung bildete, relativiert. Der im Leitsatz enthaltene Grundsatz der Entscheidung lautet:

Zitat

Der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, darf der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region repräsentiert als statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag.

Demgegenüber lautet der hinsichtlich seiner Bedeutung umstrittene Satz der Entscheidungsgründe:

Zitat

Zwar kann dem Berufungsgericht vom Ansatz her in der Auffassung beigetreten werden, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss.[3]

Hiermit korrespondierend führte der BGH aus: "Unter diesen Umständen muss sich die Klägerin auf die abstrakte Möglichkeit der technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fremdwerkstatt auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nicht verweisen lassen".[4] Diesen beiden Sätzen ließ sich durchaus entnehmen, dass zwar keine abstrakte, jedoch eine konkrete Verweisung auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit denkbar ist. Dementsprechend fokussierte sich der Streit auf die Auslegungsfrage, unter welchen Voraussetzungen von einer "ohne weiteres zugänglichen günstigeren und gleichwertigen Reparaturmöglichkeit" i.S.d. vorgenannten BGH-Zitats auszugehen ist. Insbesondere die Frage der Gleichwertigkeit der Reparatur in einer nicht markengebundenen Werkstatt zu einer solchen in einer markengebundenen Werkstatt bildete den Kern der Diskussion.[5]

Nunmehr hatte der BGH in seiner Entscheidung vom 20.10.2009[6] Gelegenheit, seine hinsichtlich der Interpretation höchst umstrittenen Äußerungen im Porsche-Urteil zu konkretisieren.

[2] Lediglich beispielhaft soll auf die Beiträge zum Thema in dieser Zeitschrift hingewiesen werden: Nugel, zfs 2007, 248 ff.; Revilla, zfs 2008, 188 ff.
[3] BGH a.a.O., Rn 11.
[4] BGH a.a.O., Rn 12.
[5] Vgl. zum Meinungsstand z.B. Figgener, NJW 2008, 1349 ff.; Figgener, NZV 2008, 326 ff.; Rütten, SVR 2008, 241 ff.; Balke, SVR 2008, 56 ff.; Zschieschack, NZV 2008, 326 ff.; Nugel, zfs 2007, 248 ff.; Revilla, zfs 2008, 188 ff.
[6] BGH v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09; vgl. dazu Wenker, jurisPR-VerkR 1/2010 Anm. 1.

II. Der Fall des BGH im Urt. v. 20.10.2009

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls rechnete die erforderlichen Reparaturkosten seines 9½ Jahre alten VW Golf mit einer Laufleistung von über 190.000 km fiktiv entsprechend den im vorgelegten Sachverständigengutachten veranschlagten Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen VW-Fachwerkstatt ab. Der dem Grunde nach unstreitig voll haftende Versicherer verwies den Geschädigten auf eine konkret benannte "freie Karosseriefachwerkstatt" und rechnete die Reparaturkosten unter Zugrundelegung der günstigeren Stundenverrechnungssätze dieser Werkstatt ab.

Das Berufungsgericht hatte der Klage des Geschädigten hinsichtlich der Differenz stattgegeben. Der BGH verwies den Streit unter Aufhebung des Urteils an das Berufungsgericht zurück, damit dieses Feststellungen zur Gleichwertigkeit der aufgezeigten alternativen Reparaturmöglichkeit treffen könne, da nach Ansicht des BGH die Verweisung zumutbar war.

III. Die Grundsätze des BGH-Urteils vom 20.10.2009

1. Grundsätzlich Erstattung der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB

Der BGH wiederholt zunächst seinen bereits im Porsche- Urteil aufgestellten Grundsatz, wonach der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, der Schadensberechnung gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen darf, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Insoweit sei davon auszugehen, dass ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten dadurch das Gebot der Wirtschaftlichkeit ausreichend berücksichtigt.[1]

[1] BGH a.a.O. Rn 8.

2. Konkrete Verweisung auf nicht markengebundene Werkstatt gem. § 254 Abs. 2 BGB

Gleichermaßen bestätigt der BGH die Einschränkung des Porsche-Urteils, wonach "der Geschädigte, der mühelos eine ohne Weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkei...

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