BGB § 823

Leitsatz

1) Im Jahr 2002 bestand weder eine gesetzliche Verpflichtung noch eine allgemeine Überzeugung in den betroffenen Verkehrskreisen, dass bei Fahren mit einem Quad ein Integralhelm zu tragen ist.

2) Scheidet die Möglichkeit nicht aus, dass Gesichtsverletzungen des Quadfahrers dadurch entstanden sein können, dass das Gesicht durch ein aufprallendes Fahrzeugteil Verletzungen davon getragen hat, die ein offener Helm nicht verhindert hätte, liegt kein typischer Geschehensablauf vor, aus dem gefolgert werden könnte, dass der Eintritt der erlittenen Verletzungen beim Tragen eines offenen Helmes verhindert worden wäre.

(Leitsätze der Schriftleitung)

BGH, Urt. v. 9.9.2008 – VI ZR 279/06

Sachverhalt

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von vertraglichen Schutzpflichten bzw. Verkehrssicherungspflichten nach einem Unfall im Erlebnispark der Beklagten geltend.

Der Arbeitgeber der Klägerin veranstaltete dort am 7.12.2002 ein Betriebsfest. Im Rahmen dieses Festes fand eine geführte Tour mit sog. Quads, einsitzigen vierrädrigen, offenen Fahrzeugen, die ähnlich Motorrädern zu fahren und zu bedienen sind, statt. Die Teilnehmer der Tour fuhren nach einer Einweisung in die Bedienung der Fahrzeuge ohne Schutzhelme in einer Kolonne, die von einem Mitarbeiter der Beklagten angeführt wurde. Die Gruppe befuhr zunächst eine aus Sand künstlich hergestellte "Berglandschaft". Sodann führte ein Weg auf unebenem Waldboden nach oben, links und rechts davon befand sich eine Böschung. Die Klägerin kam vom Weg ab, fuhr in die Böschung und stürzte. Dabei geriet sie unter das Fahrzeug und erlitt eine schwere offene Nasenbeintrümmerfraktur sowie eine Septumtrümmerfraktur mit einer stark blutenden Risswunde im Stirn-/Nasenwurzelbereich.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Aus den Gründen

Aus den Gründen: [4]„ I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts besteht ein Schadensersatzanspruch weder aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem zwischen dem Arbeitgeber der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Vertrag betreffend die Ausrichtung eines Betriebfestes noch aus § 823 Abs. 1 BGB.

[5] Der Beklagten sei zwar die Verletzung einer vertraglichen Schutzpflicht bzw. der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen, weil sie die Teilnehmer der Tour nicht mit einem Schutzhelm ausgestattet habe. Bei der Fahrt mit einem Quad im Gelände bestehen ein erhöhtes Risiko von Stürzen und eine Verpflichtung des Veranstalters, die Auswirkungen von Stürzen möglichst gering zu halten. Da bei einem Sturz mit einem offenen Geländefahrzeug der Kopf des Fahrers besonders gefährdet sei, sei es erforderlich und zumutbar gewesen, den Teilnehmern Schutzhelme zur Verfügung zu stellen. Es sei aber nicht notwendig gewesen, diese mit Integralhelmen (Schutzhelm mit einem das Gesicht bedeckenden Visier) auszustatten, auch wenn diese Art des Schutzhelmes gegenüber einem offenen Helm eine zusätzliche Sicherheit biete.

[6] Daher hafte die Beklagte im Ergebnis nicht. Es stehe nämlich nicht fest, dass die der Beklagten vorzuwerfende Pflichtverletzung für die Verletzungen der Klägerin kausal geworden sei. Nach dem Gutachten des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin wäre zwar möglicherweise bei einem tief sitzenden offenen Helm die Nasenwurzelregion durch die Breite des Helms geschützt oder zumindest die Schwere des Aufpralls vermindert worden, jedenfalls soweit das anprallende Fahrzeugteil gleichzeitig Kontakt zum Helm gehabt hätte. Die Gutachterin habe dazu mangels Angaben über das auftreffende Fahrzeugteil sowie den genauen Bewegungsablauf jedoch keine weiter gehenden Feststellungen treffen können und die Möglichkeit aufgezeigt, dass ein Fahrzeugteil isoliert das Gesicht der Klägerin getroffen habe und auch durch einen offenen Helm nicht auf Abstand gehalten worden wäre.

[7] Eine Beweislastumkehr sei nicht geboten. Bei der Verletzung vertraglicher Schutzpflichten sei zwar bei verschiedenen Fallgruppen eine Beweislastumkehr anzuerkennen. Das vorliegende Geschehen sei jedoch keiner dieser Fallgruppen zuzuordnen. Für einen Anscheinsbeweis fehle es an einem typischen Geschehensablauf, aus dem gefolgert werden könne, dass der Eintritt der erlittenen Verletzungen beim Tragen eines offenen Helmes verhindert worden wäre.

[8] II. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte weder wegen einer Verletzung vertraglicher Schutzpflichten noch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht für die der Klägerin durch den Unfall entstandenen Schäden haftet.

[9] 1. Die vertraglichen Schutzpflichten zielen im Streitfall darauf ab, eine Verletzung der Klägerin möglichst zu vermeiden und dadurch ihr Integritätsinteresse zu erhalten. Sie entsprechen mithin inhaltlich den Verkehrssicherungspflichten, sodass die dazu entwickelten Grundsätze...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge