Einführung

Die Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten ist eine der umstrittensten Fragen im Schadenersatzrecht. Trotz einer mittlerweile gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung gibt es nach wie vor eine Flut von Prozessen zu dieser Problematik. Dies liegt zum Einen daran, dass die Rechtsprechung des BGH nicht konsequent umgesetzt wird, zum Anderen daran, dass zur Ermittlung des "Normaltarifs" lange Zeit keine brauchbare Schätzgrundlage vorhanden war. Dies hat sich durch die Erhebung des Fraunhofer Instituts Arbeitswirtschaft und Organisation geändert, sodass es bei konsequenter Anwendung dieser Schätzgrundlage und ebenso konsequenter Umsetzung der höchstrichterlichen BGH-Rechtsprechung zu einer endgültigen Lösung dieser Streitfrage kommen kann.

1. Ausgangslage

Der typische Sachverhalt ist denkbar einfach. Auf Grund eines Verkehrsunfalls wird das Fahrzeug des Geschädigten so stark beschädigt, dass es für die Dauer mehrerer Tage oder Wochen in einer Werkstatt repariert werden muss. In dieser Zeit verfügt der Geschädigte nicht über sein Fahrzeug. Um mobil zu bleiben, muss er ein Fahrzeug anmieten. Die Frage ist dann, ob und in welchem Umfang die hierdurch entstehenden Kosten zu ersetzen sind.

Dem Grunde nach muss der Schädiger dem Geschädigten den durch den Unfall verursachten Schaden gem. §§ 7, 17, 18 StVG sowie § 823 BGB ersetzen. Der Umfang dieses dem Grunde nach bestehenden Anspruchs richtet sich nach § 249 BGB. Nach dieser Vorschrift ist der Geschädigte grundsätzlich so zu stellen wie er stünde, wenn der Verkehrsunfall nicht geschehen wäre, § 249 Abs. 1 BGB. Allerdings findet der Ersatz der Mietwagenkosten wie jeglicher Schadenersatzanspruch seine Grenze in der Erforderlichkeit, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.

2. Die Rechtsprechung des BGH

Dementsprechend hat der BGH mit einer ganzen Armada von Urteilen[2] klargestellt, dass der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.

Da ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Regel zum günstigsten Tarif anmietet, ist grundsätzlich auch nur dieser erstattungsfähig. Hierbei ist dem Geschädigten eine Marktforschung jedoch nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zumutbar. Erstattungsfähig ist dementsprechend ein Durchschnittswert der "normalen" Tarife, der sog. "Normaltarif" oder "Selbstzahlertarif".

Neben dem "Normaltarif" hat sich in der Mietwagenbranche der sog. "Unfallersatztarif" entwickelt. Dieser hat seine Grundlage in der besonderen Konstellation, dass derjenige, der die Leistung in Anspruch nimmt (der Geschädigte, der den Pkw mietet) nicht derjenige ist, der die Mietwagenrechnung bezahlen muss (der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer). Die Mietwagenbranche hat das Auseinanderfallen von Kunde und demjenigen, der die Rechnung begleicht, dazu genutzt, die Preise für das Anmieten nach einem Unfall drastisch (teilweise um bis zu 465 %[3]) zu steigern. Dies änderte sich erst ab dem 12.10.2004. Zu diesem Zeitpunkt hat der BGH in einer seiner wegweisenden Entscheidungen festgestellt, dass der "Unfallersatztarif" nur dann erstattungsfähig sein könne, wenn er betriebswirtschaftlich gerechtfertigt und darüber hinaus zur Schadensbehebung erforderlich sei.[4]

Um die Umsetzung dieser Rechtsprechung praktikabel zu machen, hat der BGH unter Berufung auf die Norm des § 287 ZPO durch zahlreiche Entscheidungen[5] klargestellt, dass der Tatrichter zur Beurteilung, ob der "Unfallersatztarif" betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sei, nur zu prüfen habe, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte einen solchen Tarif rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den "Normaltarif" in Betracht käme. Keinesfalls müsse der Tatrichter die Kalkulation des konkreten Unternehmens – gegebenenfalls nach Beratung durch einen Sachverständigen – in jedem Fall nachvollziehen. Die Gerichte haben von dieser Öffnung zahlreich Gebrauch gemacht. Es hat sich eine Marge von 15 – 30 % Aufschlag auf den "Normaltarif" als betriebswirtschaftlich gerechtfertigt herauskristallisiert.

Dieser Aufschlag, der früher – wie ausgeführt – bis zu 465 % betrug, ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn eine Anmietung zum "Unfallersatztarif" auf Grund der besonderen Unfallsituation erforderlich i.S.d. § 249 BGB ist. "Der Geschädigte verstößt noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadengeringhaltung, weil er ein Kfz zu einem "Unfallersatztarif" anmietet, der gegenüber dem "Normaltarif" teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem "Normaltarif" höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind".[6]

Grundsätzlich ist der Gesch...

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