AUB 2000 2.1.1.1.

Leitsatz

1. Eine lediglich mündliche ärztliche Feststellung der Invalidität genügt den Anforderungen des AUB nicht.

2. Der Versicherer muss auch einen ausländischen Versicherungsnehmer, der einen Unfall anzeigt, nicht über die Notwendigkeit der rechtzeitigen ärztlichen Feststellung von Invalidität unterrichten.

(Leitsätze der Schriftleitung)

OLG Celle, Urt. v. 1.9.2008 – 8 U 88/08

Sachverhalt

Der Kläger macht gegen die Beklagte Leistungen aus einer Unfallversicherung geltend.

Am 19.10.2005 erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall. Unter dem 19.12.2005 reichte er bei der Beklagten eine Ablichtung der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige ein. Zum Unfallhergang ist darin lediglich vermerkt, dass an beiden Fahrzeugen ein Sachschaden entstanden sei. Personenschäden bzw. Gesundheitsbeeinträchtigungen der Unfallbeteiligten sind dagegen nicht erwähnt. Auf der Ablichtung ergänzte der Kläger handschriftlich: "Ich bin T P. Ich habe Unfallversicherung No. … Ich melde Unfall wie Ihnen telafanis besprochen habe Ihre Postkasten gelengt." Dieses Schreiben gelangte bei der Beklagten in die Akte zur Fahrzeugversicherung, die der Kläger dort ebenfalls abgeschlossen hatte. Die Parteien streiten um die fristgerechte ärztliche Feststellung von Invalidität.

Aus den Gründen

Aus den Gründen:„… Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 60.000 EUR aus der zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherung wegen des Unfalls vom 19.10.2005 gem. § 1 Abs. 1 S. 2 VVG i.V.m. Ziffern 1, 2.1 AUB 2000 zu. Denn es fehlt an einer fristgerechten Invaliditätsfeststellung gem. Ziffer 2.1.1.1 der zwischen den Parteien vereinbarten AUB 2000, wie bereits das LG zutreffend festgestellt hat.

1. Nach Ziffer 2.1.1.1 ist Voraussetzung für die Invaliditätsleistung u.a., dass die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt worden sein muss. Diese fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität stellt eine Anspruchsvoraussetzung dar, durch die im Interesse einer rationellen, arbeits- und kostensparenden Abwicklung Spätschäden auch dann vom Versicherungsschutz ausgenommen werden sollen, wenn der Versicherungsnehmer an der Einhaltung der Frist schuldlos ist oder die Invalidität nicht rechtzeitig erkennbar und ärztlich feststellbar gewesen ist (BGH VersR 2007, 1114, 1115 … ). Das Erfordernis dieser fristgerechten ärztlichen Feststellung als solche entspricht dem Transparenzgebot (BGH VersR 2005, 639) und verstößt nicht gegen § 307 BGB (BGH VersR 1998, 175). Die darin liegende Härte lässt sich nur mit dem berechtigten Interesse des Versicherers an einer baldigen Klärung seiner Leistungspflicht rechtfertigen (BGH VersR 1988, 286, 287). Das Nichtvorliegen der ärztlichen Feststellung kann nicht entschuldigt werden (BGH VersR 2006, 352).

Für die Wahrung der Frist ist erforderlich, dass ein unfallbedingter Dauerschaden bezeichnet wird, der durch bestimmte Symptome gekennzeichnet ist (BGH VersR 1997, 442, 443 …). Der ärztlichen Feststellung muss sich also die angenommene Ursache und die Art ihrer dauerhaften Auswirkung auf die Gesundheit des Versicherten entnehmen lassen (BGH VersR 2007, 1114). Zwar sind inhaltlich an die ärztliche Feststellung der Invalidität keine zu hohen Anforderungen zu stellen (BGH VersR 1998, 175, 176; … ). Namentlich braucht noch nicht zu einem bestimmten Grad der Invalidität abschließend Stellung genommen zu werden. Erst recht ist es nicht erforderlich, dass die Feststellung einen an der Gliedertaxe ausgerichteten Invaliditätsgrad enthält. Auch ist es unerheblich, ob die Feststellungen zur Ursache der gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Art ihrer Auswirkungen richtig sind. Indessen muss sich der ärztlichen Feststellung aber jedenfalls eine Prognose über eine bereits eingetretene bzw. zu erwartende Invalidität entnehmen lassen, wofür es nicht reicht, wenn eine dauernde Beeinträchtigung nur als möglich bezeichnet wird (Senat VersR 2008, 670 ff. … ).

Vorliegend fehlt es an einer derartigen fristgerechten Invaliditätsfeststellung. Der Arztbrief von Dr. U v. 14.11.2006, in dem als Diagnose für den Kläger u.a. eine posttraumatische Belastungsstörung und eine somatoforme Schmerzstörung aufgeführt sind, endet mit der Prognose: “Bei Schmerzgeneralisation mit Entwicklung eines sekundären Fibromyalgiesyndroms langwierig und unbestimmt.’. Das sozialmedizinische Gutachten von Dr. M v. 17.11.2006 kommt bei der abschließenden Beurteilung zu dem Ergebnis, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit “zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgegrenzt werden’ könne, eine “Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht sicher beurteilbar’ sei. Diese ärztlichen Stellungnahmen aus den ersten 15 Monaten nach dem Unfall reichen, wie bereits das LG zutreffend festgestellt hat, nicht aus, weil sich ihnen eine Prognose über eine bereits eingetretene bzw. zu erwartende Invalidität, die auf dem Unfallgeschehen v. 19.10.2005 beruht, nicht entnehmen lässt. Zur Dauerhaftigkeit der dort beschriebenen gesundheitlichen Störungen wird nicht einde...

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