In der praktischen erbrechtlichen Tätigkeit findet der beratende und forensisch tätige Rechtsanwalt immer wieder Bezüge zum Familienrecht, das sich auch in verschiedener Weise auf das Erbrecht auswirken kann.

Im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge geschieht dies in der Praxis über Fragen der Erbteilserhöhung eines Ehegatten entsprechend den § 1931 Abs.1, 3, §  1371 Abs. 1 BGB, auch im internationalen Bereich[2] Weiter stellen sich oft Fragen der Adoption und der erbrechtlichen Beziehungen von adoptierten Kindern zu ihren Eltern und andersherum.[3] Auch können Unterhaltspflichten gegenüber im Pflegeheim lebenden Eltern, die sich aus familienrechtlichen Positionen begründen, bedeutsam sein (im Rahmen der Nachlassplanung, wie auch im Rahmen der Erbauseinandersetzung) sowie auch direkte erbrechtliche Bezüge betreffend die Pflicht des Erben nach § 102 SGB XII.[4]

Eher ein "Nischendasein" im Hinblick auf die Anzahl der in der Praxis vorkommenden Fälle spielt hingegen die Frage, wie mit familienrechtlichen Regelungen, insbesondere in einem Scheidungs-/Scheidungsfolgenvergleich vor dem Familiengericht, zu verfahren ist, wenn in diesen Verfügungen von Todes wegen enthalten sind. In diesem Zusammenhang kommt es in der Praxis durchaus vor (wenn auch zugegebenermaßen weniger häufig), dass unter Mitwirkung des Familiengerichts (sogar von mehreren Richtern[5] in Familiensenaten bei Oberlandesgerichten), meist in Anwesenheit und Mitwirkung der rechtsanwaltlichen Vertreter der Parteien sowie der sich scheidenden Ehegatten selbst, familiengerichtliche Vergleiche geschlossen werden, die auch Regelungen enthalten, die Verfügungen von Todes wegen eines der Ehegatten oder gar beider Ehegatten enthalten. In diesem Rahmen stellt sich, je nach Inhalt und Wortlaut des Vergleichs, die Frage, ob mit einzelnen, konkreten, in diesen Vergleichen enthaltenen Regelungen gegen § 2302 BGB[6] verstoßen wird. Beinahe zum Schmunzeln ist in diesem Zusammenhang, dass derartige Vergleiche regelmäßig unter Mitwirkung mehrerer examinierter Juristen (Richter, bei Senaten an Oberlandesgerichten mehrere, in der Regel zusätzlich meist zwei anwaltliche Vertreter) erstellt werden, denen allensamt die Norm des § 2302 BGB völlig oder zumindest in ihrem Regelungsgehalt im Detail unbekannt ist.

Diese auch dem im Erbrecht tätigen Berater vergleichsweise wenig bekannte Vorschrift, die umso weniger den im Familienrecht tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, auch den Familienrichterinnen/-richtern geläufig ist, führt dazu, dass Scheidungs-/Scheidungsfolgenvergleiche vor dem Familiengericht kritisch zu sehen sind, wenn in diesen erbrechtliche Verfügungen von Todes wegen enthalten sind.[7]

Das führt dann zur Frage, inwieweit diese familiengerichtlichen Vergleiche dennoch Wirkung entfalten. Immerhin war ja bei Abschluss des konkreten Vergleichs ein gleichlautender, gemeinsamer Wille der sich scheidenden Ehegatten vorhanden, und daneben spielt im Erbrecht ohnehin der Wille des Erblassers eine besondere Rolle.[8] Ferner ist gegebenenfalls auch die Frage der Haftung von mitwirkenden Rechtsanwälten und Richtern zu klären.

Es stellen sich in diesem Zusammenhang zunächst häufig folgende Fragen, die nachstehend in ebendieser Reihenfolge thematisiert werden:

Ist überhaupt "ein Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben", vorhanden? Das ist gegebenenfalls im Rahmen der Auslegung zu prüfen, wenn kein klarer Wortlaut vorliegt (§ 2084 BGB).
Sollte dies zu bejahen sein: Ist der Vertrag gegebenenfalls in einen Erbvertrag, §§ 2274 ff BGB, umzudeuten? Ist dies überhaupt möglich, und wenn ja: Liegen die entsprechenden Wirksamkeitsvoraussetzungen vor für das Geschäft, in das umzudeuten wäre? Wäre auch überhaupt davon auszugehen, dass eine Umdeutung von den Parteien des familiengerichtlichen Vergleichs überhaupt gewollt gewesen wäre?
Regelmäßig lässt sich in diesem Zusammenhang eine Umdeutung in einen Erbvertrag thematisieren. Wenn dies zu prüfen ist, so sind die Aspekte der

Formwirksamkeit, insbesondere auch unter Berücksichtigung des § 127 a BGB im Lichte des § 2276 BGB, und

der Eigenhändigkeit/Höchstpersönlichkeit des Abschlusses des Erbvertrags im Rahmen des § 2274 BGB

zu beachten.

Hierbei spielt in der Praxis regelmäßig maßgeblich die Frage eine Rolle, ob im Rahmen eines familiengerichtlichen Verfahrens mit dem Erfordernis der Höchstpersönlichkeit des Abschlusses nach § 2274 BGB Genüge getan ist. Probleme ergeben sich, wenn gegebenenfalls nicht beide sich scheidende Ehegatten im Termin, in dem der Vergleich abgeschlossen wurde, anwesend waren, und gegebenenfalls gar im Wege eines Widerrufsvergleichs durch die Prozessparteien agiert wurde.

Diesem Gedankengang insgesamt liegt der "favor testamenti"[9] zugrunde, aus dem sich unter anderem ergibt, dass der Wille der Testatoren/zukünftigen Erblasser wenn möglich zu wahren ist. Daraus lässt sich wiederum ableiten, dass etwaige Verfü...

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