Der Erblasser ist im Februar 2012 im Alter von 86 Jahren verstorben. Die Beteiligte zu 1 (geboren 1924) ist seine Ehefrau. Der Beteiligte zu 2 (geboren 1954) ist der gemeinsame Sohn.

Es liegt ein notarielles gemeinschaftliches Testament vom 9.3.2009 vor, das auszugsweise wie folgt lautet:

"I. Vorbemerkung ... Ich (Ehefrau) bin Alleineigentümerin von verschiedenen Grundstücken ..., während ich (Ehemann) Alleineigentümer des Hausanwesens ... bin ... . (...) "

III. Gegenseitige Alleinerbeneinsetzung

Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu Alleinerben ein.

IV. Vermächtnis

Der Überlebende von uns wird mit folgendem Vermächtnis beschwert: Der Überlebende hat an den Verein ... den Betrag von 20.000 EUR zu zahlen mit der Auflage, folgende Patenschaften umgehend weiter fortzuführen... Vorstehendes Vermächtnis mit der Auflage ist fällig und fällt an sofort bei Ableben des Erstversterbenden von uns.

V. Schlusserbeneinsetzung, Vor- und Nacherbschaft, Vorausvermächtnis

(1) Der Überlebende von uns setzt unseren Sohn ... zu seinem alleinigen Erben ein.

(2) Unser Sohn ... ist jedoch nur Vorerbe.

Nacherben sind die Abkömmlinge unseres vorgenannten Erben nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. (...)

VI. Vermächtnisse (...)

VIII. Wechselbezüglichkeit

Die Verfügungen in Ziffer III. bis VII. dieser Urkunde sind wechselbezüglich.

Der Überlebende von uns ist jedoch berechtigt, die Verfügungen in Ziffer V. und VI. im heutigen gemeinschaftlichen Testament beliebig abzuändern oder aufzuheben. ...“

Der Beteiligte zu 2 hat am 21.5.2012 einen Teilerbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt, der ihn als Miterben zu 1/2 neben seiner Mutter ausweist. Das Testament vom 9.3.2009 sei unwirksam, weil seine Mutter zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung aufgrund fortgeschrittener Demenz testierunfähig gewesen sei. Die Nichtigkeit der Willenserklärungen der Ehefrau habe die Unwirksamkeit der Erklärungen des Erblassers einschließlich der Erbeinsetzung der Ehefrau zur Folge.

Die vom Nachlassgericht erwogene Umdeutung in ein Einzeltestament des Erblassers mit Einsetzung der Ehefrau als alleinige Vorerbin und des Sohnes als Nacherbe sowie Anordnung weiterer Nacherbfolge komme nicht in Betracht. Die testierenden Eheleute hätten die Verfügungen in den Ziffern III. bis VII. ausdrücklich als wechselbezüglich bezeichnet und damit zum Ausdruck gebracht, dass die benannten Verfügungen des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein sollten. Der Erblasser habe sich damit festgelegt, die eigenen letztwilligen Verfügungen nur im Zusammenhang mit den letztwilligen Verfügungen der Ehefrau errichten zu wollen. Zudem verfälsche eine Umdeutung den erklärten Willen. Eine Einsetzung der Ehefrau als befreite Vorerbin schränke ihre Verfügungsbefugnis gegenüber der Stellung als Alleinerbin erheblich ein. Die Vor- und Nacherbschaft könne nur noch das Nachlassvermögen des Erblassers betreffen, das aus dem gemeinschaftlichen Vermögen deshalb separiert werden müsse. Auch die Vermächtnisse seien hinsichtlich der jeweiligen Vermögenswerte zu trennen. Der Änderungsvorbehalt lasse sich bei Umdeutung in ein Einzeltestament nicht mehr verwirklichen. So werde der erklärte Wille des Erblassers ersetzt durch vom Testament unabhängige Überlegungen, welche alternativen Gestaltungsmöglichkeiten bestehen könnten und welche Teile seiner letztwilligen Verfügungen für ihn von vorrangiger Bedeutung sein dürften.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 5.3.2014 den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Ein gesetzliches Erbrecht stehe dem Beteiligten zu 2 nicht zu, unabhängig davon, ob die Beteiligte zu 1 bei Errichtung des notariellen gemeinschaftlichen Testaments testierfähig gewesen sei oder nicht. Sei sie testierfähig gewesen, sei sie selbst Alleinerbin aufgrund Testaments. Sei sie testierunfähig gewesen, ergebe die mögliche Umdeutung des Testaments vom 9.3.2009 in ein Einzeltestament des Erblassers, dass sie Alleinerbin sei. Der Erblasser sei Initiator des gemeinschaftlichen Testaments gewesen, wie sich aus den Auskünften des Notariats ergebe. Er habe der Beteiligten zu 1 im Falle seines Vorversterbens sein gesamtes Vermögen ungeschmälert zur Verfügung stellen wollen. Es ergebe sich weder aus dem Testament noch aus sonstigen Umständen, dass er dies nicht getan hätte, wenn er gewusst hätte, dass seine Ehefrau nicht mehr wirksam testieren konnte. Es sei jedenfalls eine Alleinerbeneinsetzung der Ehefrau durch den Erblasser anzunehmen. Ob darüber hinaus eine Bedingung oder eine Vor- und Nacherbschaft anzunehmen sei, sei angesichts des Inhalts des Erbscheinsantrags unerheblich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2, die er insbesondere darauf stützt, dass wechselbezügliche Verfügungen einer Umdeutung in ein Einzeltestament nicht zugänglich seien. Der für die Beteiligte zu 1 bestellte Ergänzungsbetreuer ist der Beschwerde entgegen getreten.

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