1. Den aus deutscher Sicht gravierendsten Umbruch bringt die Erbrechtsverordnung im Hinblick auf das Kollisionsrecht. Der Verordnungsgeber hat mit den Bestimmungen der Art. 21 ff der Verordnung die Absicht verfolgt, aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Nachlassspaltungen das gesamte zum Nachlass gehörende Vermögen einer Rechtsordnung zu unterwerfen unabhängig von der Art der Vermögenswerte und unabhängig davon, wo diese Vermögenswerte belegen sind, gleich ob in einem anderen Mitgliedstaat oder gar in einem Drittstaat (vergleiche dazu Textziffer [37] der Erläuterungen). Dementsprechend ordnet der Verordnungsgeber in der allgemeinen Kollisionsnorm Art. 21 der Verordnung an, dass grundsätzlich die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht desjenigen Staates unterliegt, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Im Hinblick auf die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts kann auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden. Von dieser grundsätzlichen Anknüpfung ergeben sich allerdings nach der Verordnung gleich mehrere Ausnahmen:

So regelt bereits Art. 21 Ziff. 2 der Verordnung, dass nicht etwa das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers anzuwenden ist, wenn sich ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine "offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat hatte". Wann eine solche Ausnahmesituation vorliegen soll, bleibt unklar. Wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine andere engere Verbindung zu einem weiteren Staat aufweist, so wird schwerlich begründet werden können, dass er an einem abweichenden Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Unterstellt man, der Erblasser hätte ausschließlich Vermögen einschließlich Konten, Immobilien und beweglichen Vermögens im Staat A, seinen gewöhnlichen Aufenthalt aufgrund beruflicher Situation, familiärer und sozialer Bindungen aber im Staat B, wäre nach Art. 21 Ziff. 1 der Verordnung das Recht des Aufenthaltsstaates anzuwenden. Das Vorhandensein von Vermögen ausschließlich in einem anderen Staat dürfte aber kaum ausreichen, um nach der Gesamtbetrachtung der Umstände das Recht eines anderen Staates als dasjenige des Aufenthaltsstaates für die Rechtsnachfolge von Todes wegen zur Anwendung zu bringen. Welche Ausnahmesituation daher unter den Anwendungsbereich von Art. 21 Ziff. 2 der Verordnung fallen soll, bleibt unklar. So ist in Fällen des erheblichen Vermögens in anderen Staaten als dem Aufenthaltsstaat eine bewusste Vermögensverlagerung des Erblassers denkbar. Dass der Erblasser – in Ermangelung einer Rechtswahl – dann möglicherweise die Anwendung des Aufenthaltsrechts auf das Vermögen im anderen Staat sogar in Kauf genommen hat oder bei – zulässigem – forum shopping diese Konsequenz möglicherweise sogar gewollt hat, bleibt außer Betracht. Unklarheiten, die sich somit aus dieser aufweichenden Vorschrift des Art. 21 Ziff. 2 der Verordnung ergeben, wird man nur durch eine klare Rechtswahl begegnen können.

2. Diese Rechtswahl regelt der Verordnungsgeber in Art. 22 der Verordnung. Danach kann für die Rechtsnachfolge von Todes wegen dasjenige Recht gewählt werden, dem der Erblasser im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Todeszeitpunkt angehört. Bei mehreren Staatsangehörigkeiten ist die Auswahlmöglichkeit nicht auf bestimmte ("effektive") Staatsangehörigkeiten beschränkt. Sie muss entweder ausdrücklich in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus dem sonstigen Inhalt der Verfügung ergeben. Hier bedarf es daher einer Auslegung der Verfügung. Ergibt sich beispielsweise durch die Benennung einer Vorschrift aus einem bestimmten Recht oder aus der Erwähnung einer bestimmten Rechtsordnung, dass der Erblasser auf sie Bezug nimmt, soll sich hieraus eine Rechtswahl ergeben, so Textziffer [31] der Erläuterungen.

Welche sonstigen Situationen Anlass zur Annahme einer konkludenten Rechtswahl geben, bleibt abzuwarten. Für die Praxis bei der Gestaltung von letztwilligen Verfügungen kann nur dringend angeraten werden, hier möglichst klare Formulierungen zu verwenden. Es sollte generell bei der Beratung im Zuge der Errichtung von letztwilligen Verfügungen in jedem Fall nach der Staatsangehörigkeit der Testierenden gefragt werden, was allen voran im Rahmen anwaltlicher Praxis bei der Beratung von Testierenden gerne übersehen wird. Ob ein genereller Eingangssatz reicht, wonach der oder die Testierenden die Geltung deutschen Rechtes bestimmen, kann dahingestellt bleiben. In jedem Fall sollte bei dem geringsten Verdacht von Auslandsbezug geklärt werden, welches Recht der Erblasser anzuwenden wünscht. Für die Beratungspraxis bedeutet dies aber zugleich, dass außerhalb der bekannten "eigenen" Rechtsordnung auch erheblich mehr Kenntnisse der erbrechtlichen Bestimmungen anderer Staaten erforderlich werden.

Worauf sich sodann das Erbstatut bezieht, regelt der Verordnungsgeber dann noch zusätzlich zu Art. 1 Ziff. 1 der Verordnung in Art. 23, ...

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