Der Fall betraf einen Sachverhalt, der in der Praxis meist nicht zu Problemen führt und eher untergeordnete Bedeutung hat. Vorliegend machen Enkel, die zum Zeitpunkt der ergänzungspflichtigen Zuwendung noch nicht geboren waren, gegen ihre Großmutter, die von ihrem Ehemann zur Alleinerbin eingesetzt wurde, Pflichtteilsansprüche geltend. Die Tochter der Erbin, also die Mutter der Enkel, war vorverstorben. Nun ging es um die Frage, ob die Enkel die gleichen Pflichtteilsrechte haben sollten wie die Kinder, die zum Zeitpunkt der Zuwendungen bereits gelebt haben.

Der BGH begründete seine Abkehr von der Theorie der Doppelberechtigung mit dem unergiebigen Wortlaut, der Entstehungsgeschichte von § 2325 BGB, dem Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts. Hierbei wurde dann auch auf Grundrechte verwiesen und deutlich gemacht, dass eine Ungleichbehandlung von Abkömmlingen nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, zumal der Sinn des Pflichtteilsrechts eine Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers garantiere. Das BVerfG hat in seinen Beschlüssen vom 19.4.2005[1] deutlich gemacht, dass auch das Pflichtteilsrecht unter dem Schutz der Erbrechtsgarantie nach Art. 14 GG steht.

Etwaige gewandelte gesellschaftliche Verhältnisse, wie noch vom BGHZ 59, 210 ff angeführt, können sicherlich keine Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung sein. Dies hat auch der IV. Senat so deutlich gemacht.

Eindeutig geklärt ist nunmehr, dass alle Abkömmlinge, unabhängig davon, ob sie nach der Zuwendung oder Schenkung an Dritte erst geboren oder aber adoptiert wurden, immer mit den Abkömmlingen, die zum Zeitpunkt der Zuwendung oder Schenkung schon vorhanden waren, gleich zu behandeln sind. Allen steht gleichermaßen eine Teilhabe am Nachlass zu. Für den Pflichtteilsanspruch kommt es allein auf die Pflichtteilsberechtigung im Zeitpunkt des Erbfalls ein.

Auch eine Adoption oder eine Anerkennung einer Vaterschaft haben somit quasi immer eine Art ex-tunc-Wirkung und führen somit ebenfalls zu einer Gleichbehandlung mit anderen Kindern des Erblassers. Wie man aus dem Wegfall des Unterhaltsanspruchs nach § 1615 BGB erkennen kann, hat der Pflichtteil eine Unterhaltsersatzfunktion. Auch dies macht deutlich, dass eine Ungleichbehandlung von Abkömmlingen keinesfalls gerechtfertigt war. Allerdings muss man hier auch die geänderte Demografie berücksichtigen. Viele Pflichtteilsberechtigte erhalten den Pflichtteil erst, wenn sie selbst Rentner geworden sind. Eine Unterhaltsersatzfunktion ist daher in der Praxis eigentlich nicht notwendig.

[1] 1 BvR 1644/00 sowie 1 BvR 188/03.

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