Leitsatz

Auch Einkünfte aufgrund Pflichtteilsansprüchen sind nur dann für unpfändbar zu erklären, wenn dem Schuldner kein unpfändbares Einkommen in Höhe der von § 850 c Abs. 1, 2 a ZPO bestimmten Grundbeträge verbleibt.

BGH, Beschluss vom 7. April 2016 – IX ZB 69/15

Sachverhalt

Mit Beschluss vom 17.1.2012 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder. Der Schuldner hat Restschuldbefreiung beantragt. Er erzielt laufende Einkünfte aus einer Berufsunfähigkeits- und zwei Unfallrenten in einer Höhe von – im Jahr 2011 monatlich insgesamt 1.057,74 EUR; mit Beschluss vom 14.3.2012 bestimmte das Insolvenzgericht die Reihenfolge, in der der nach § 850 c ZPO unpfändbare Betrag zu entnehmen ist. Zugunsten der Masse ergab sich ein pfändbarer Betrag von 35,78 EUR monatlich, der seither zur Masse abgeführt wird. Der Treuhänder erstattete am 15.10.2012 seinen Schlussbericht und beantragte, einen Schlusstermin zu bestimmen. Das Insolvenzverfahren ist nicht abgeschlossen.

Am 3.6.2012 verstarb der Vater des Schuldners. Der Schuldner erhob im Jahr 2013 eine Pflichtteilsklage gegen seine Mutter. Am 24.3.2014 schlossen der Schuldner und seine Mutter einen Vergleich über die Pflichtteilsansprüche des Schuldners. Danach verpflichtete sich die Mutter, an den Schuldner 6.750 EUR zu zahlen. Am 31.7.2014 führte der Schuldner 3.375 EUR an den Treuhänder ab.

Mit Schreiben vom 15.8.2014 beantragte der Schuldner, den pfandfreien Betrag nach § 36 Abs. 4 InsO anzuheben und ihm aus dem an die Insolvenzmasse abgeführten Teil des Vergleichsbetrags einen Betrag von 1.956,18 EUR zu belassen, weil er in dieser Höhe eine Krankenhausrechnung bezahlen müsse. Es handele sich um eine außergewöhnliche Belastung gemäß § 850 f Abs. 1 lit. b ZPO. Der Treuhänder forderte den Schuldner auf, auch den Restbetrag des Pflichtteilsanspruchs an die Insolvenzmasse abzuführen. Der Schuldner wies darauf hin, dass er von diesem Betrag Kaution und Umzugskosten habe bezahlen müssen und auf den Kauf einer Küche angewiesen sei. Er beantragte deshalb mit Schreiben vom 23.12.2014 weiter, ihm auch den noch nicht an die Insolvenzmasse abgeführten Betrag von 3.375 EUR zu belassen.

Das Amtsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Mit seiner Beschwerde hat der Schuldner beantragt, ihm aus dem Pflichtteilsanspruch einen Betrag in Höhe von 4.138,18 EUR zu belassen und als unpfändbaren Betrag zu behandeln. Das Beschwerdegericht hat den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Hiergegen wendet sich der Treuhänder mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er eine Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.

Aus den Gründen

Die Rechtsbeschwerde führt zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, § 850 i ZPO sei auf den Antrag auf Pfändungsschutz anwendbar. Als sonstige Einkünfte seien alle eigenständig erwirtschafteten Einkünfte anzusehen. Die Absicht des Gesetzgebers, mit der Neuregelung des § 850 i Abs. 1 S. 1 ZPO die Sozialhilfeträger dauerhaft zu entlasten, spreche gegen eine einschränkende Auslegung der Vorschrift. Daher seien auch Pflichtteilsansprüche des Schuldners als sonstige Einkünfte im Sinne des § 850 i Abs. 1 S. 1 ZPO zu behandeln. § 852 ZPO stelle keine abschließende Sonderregelung gegenüber § 850 i ZPO dar, sondern ergänze den Pfändungsschutz. Da das Amtsgericht es abgelehnt habe, § 850 i ZPO anzuwenden, sei das Verfahren für die vorzunehmende Interessenabwägung und Ermessensentscheidung gemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Sie ist auch zulässig, insbesondere genügt die Begründung den Anforderungen des § 575 Abs. 3 Nr. 3 ZPO. (...)

b) Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Dem Schuldner steht kein Pfändungsschutz nach § 850 i ZPO hinsichtlich seiner Forderungen aus dem Pflichtteilsanspruch zu.

aa) Zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass der Antrag zulässig ist und die Pflichtteilsansprüche dem Insolvenzbeschlag unterliegen. Insbesondere hat das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht (§ 36 Abs. 4 InsO) gemäß § 36 Abs. 1 S. 2 InsO auch § 850 i ZPO anzuwenden.

Gemäß § 35 Abs. 1 InsO umfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Insolvenzverfahrens erlangt. Dies gilt auch für Pflichtteilsansprüche, die ungeachtet § 852 ZPO in vollem Umfang zur Insolvenzmasse gehören, wenn der Erbfall vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO) eintrat (BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 184/09, ZIP 2011, 135 Rn 8; HK-InsO/Ries, 7. Aufl. § 35 Rn 45). Im Streitfall trat der Erbfall am 3.6.2012 und damit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein. Nachdem der Schuldner den Pflichtteilsanspruch gegen seine Mutter gerichtlich geltend machte, war er...

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