Die gemäß §§ 58 ff FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige befristete Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat auch in der Sache Erfolg. Ihr Antrag auf Erteilung eines Teilerbscheins, der sie als Miterbin am Nachlass nach ihrer Mutter zur Hälfte ausweist, ist begründet; denn sie ist nach ihrer Mutter testamentarische Miterbin zur Hälfte geworden.

1) Dies ergibt die Auslegung des gemeinschaftlichen Testamentes der Eltern der Beteiligten vom 7. August 1989. Der Senat ist bei Würdigung aller Umstände innerhalb und außerhalb des Testamentes davon überzeugt, dass die Eheleute in ihrem Testament wie selbstverständlich davon ausgingen, dass ihre Töchter ihre Schlusserbinnen zu gleichen Teilen nach dem zuletzt versterbenden Ehegatten sein sollten. Dieser Wille hat auch hinreichend im gemeinschaftlichen Testament Anklang gefunden, nämlich in den Sonderregelungen über die Erbbauheimstätte und die Pflichtteilsstrafklausel. Auf diese Regelungen kam es ihnen an, ohne das aus ihrer Sicht Selbstverständliche ebenfalls noch ausdrücklich niederzuschreiben.

a) Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute ist auslegungsbedürftig, weil es die Erbfolge nach dem später versterbenden Ehepartner nicht abschließend und eindeutig regelt und auch nicht klar verständlich ist, soweit Regelungen vorhanden sind:

aa) Sprachlich fällt zunächst auf, dass sich die Eheleute nicht gegenseitig als "Erben" oder ”Alleinerben“ eingesetzt haben, sondern dass sie die Formulierung verwendet haben: "... geht unser gesamtes Eigentum, inclusive Erbbauheimstätte ... in den Besitz des überlebenden Ehepartners über". Im gesamten Testament wird das Wort "Erbe" nur im Zusammenhang mit der sogenannten Pflichtteilsstrafklausel verwendet.

bb) Auch die im zweiten Satz des Testamentes erteilte Vollmacht für die Beteiligte zu 2) wirft wegen ihrer Formulierung die Frage auf, ob diese auch schon nach dem Tod des erstversterbenden Ehepartners eingreifen sollte und welchen Inhalt sie dann haben sollte.

cc) Auch der dritte Satz des gemeinschaftlichen Testamentes lässt zweifeln, was mit den Begriffen "endgültige Verfügung" und "vorrangig" von den Eheleuten gemeint war.

dd) ”Sollten eine oder beide Töchter nach dem Ableben eines Ehepartners auf Erhalt ihres Erbanteils bestehen, so erhalten diese nur den gesetzlichen Pflichtanteil”, zeigt die gemeinsame Willensrichtung der Eheleute, diejenige Tochter zu sanktionieren, die nach dem Tode des zuerst versterbenden Elternteils Ansprüche auf den Nachlass erheben sollte. In der juristischen Fachsprache ist die Anordnung allerdings insoweit unzutreffend, als keine Tochter nach dem Tod des ersten Elternteils einen Anspruch auf "Erhalt ihres Erbteils" stellen konnte, weil die Töchter gerade durch das gemeinschaftliche Testament nach dem ersten Elternteil enterbt waren. Sie konnten allenfalls einen Pflichtteilsanspruch geltend machen. Sprachlich ist der Satz auch deshalb nicht eindeutig, weil nicht ausdrücklich geregelt ist, dass die Tochter, die nach dem erstversterbenden Elternteil den Anspruch auf den "Erbanteil" geltend macht, auch nach dem Tod des zweiten Elternteils nur den Pflichtteil erhalten soll.

b) Die Testamentsauslegung (§§ 2084, 133 BGB) darf jedoch nicht bei der sprachlichen Analyse des Testaments stehen bleiben. Dies gilt insbesondere für von juristischen Laien verfasste Testamente. Vielmehr ist gemäß § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Ausdruck zu haften. Nach std. Rspr. des BGH kann der Tatrichter dieser Aufgabe nur dann gerecht werden, wenn er auch alle ihm zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde heranzieht. Da es um die Erforschung des wirklichen Willens des Erblassers geht, sind der Auslegung durch den Wortlaut keine Grenzen gesetzt, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht. Kann der tatsächliche Wille nicht festgestellt werden, so muss sich der Tatrichter notfalls damit begnügen, den Sinn zu ermitteln, der dem (mutmaßlichen) Willen am ehesten entspricht (Urteil vom 8.12.1982 – IV a ZR 94/81, BGHZ 86, 41 Rn 16). Dabei geht es nicht um die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens, sondern um die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Sprachgebrauch nicht immer so exakt ist oder sein kann, dass der Erklärende mit seinen Worten genau das unmissverständlich wiedergibt, was er zum Ausdruck bringen wollte (BGH, Urteil vom 7.10.1992 – IV ZR 160/91, NJW 1993, 256, Rn 10). Die außerhalb der Urkunde liegenden Umstände können vor oder nach der Errichtung des Testamentes liegen. Dazu gehört auch das gesamte Verhalten des Erblassers, seine Äußerungen und Handlungen, sofern sie einen Rückschluss auf den Erblasserwillen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zulassen (Palandt/Weidlich, BGB, 77. Aufl., § 2084 Rn 2).

Handelt es sich – wie hier – um ein gemeinschaftliches Testament,...

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