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Dieser Artikel konzentriert sich auf das in der Praxis häufig auftretende Problem der krankhaften Störungen der Geistestätigkeit in Form des demenziellen Syndroms, befasst sich somit mit § 2229 Abs. 4, 1. Alt. BGB und nimmt auf die postume Begutachtung Bezug.

I. Einleitung

Dem Jahresbericht der Bundesnotarkammer -Zentrales Testamentsregister- für das Jahr 2016 ist zu entnehmen, dass zum 31.12.2016 etwa 19,8 Millionen Registrierungen und rund 15,7 Millionen erbfolgerelevante Urkunden, vor allem Testamente und Erbverträge, gespeichert waren.[1] Daneben befinden sich in unbekannter Anzahl weitere letztwillige Verfügungen von Todes wegen in Schubladen privater Haushalte. Sämtliche Verfügungen von Todes wegen werden nach dem Tod des jeweiligen Erblassers eröffnet.

Je älter die Testatoren sind, desto ungewisser ist jedoch, ob diese letztwillige Verfügung von Todes wegen wirklich vor Gericht einer Anfechtung standhält, wenn die Erben und Enterbten um deren wirksame Errichtung streiten. Als Beweis für die Unwirksamkeit wird dann häufig eine demenzielle Entwicklung des Erblassers angeführt.

[1] http://www.testamentsregister.de/erbe/meldungen?view=detail&id=12c13c03-b9d1-4867-92d9-43b8ed572799, Stand 05.04.2017.

II. Testierfähigkeit

Grundsätzlich ist jede Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, selbstbestimmt handeln, eigenverantwortliche Entscheidungen treffen kann und die Vorstellung hat, ein Testament mit einem bestimmten Inhalt errichten zu wollen[2], testierfähig.

Dies folgt aus dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit und damit die Testierunfähigkeit die Ausnahme von dem Regelfall der Testierfähigkeit ist.[3] In der Rechtsprechung gilt ein Erblasser solange als testierfähig, bis seine Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist.[4]

Als ein Unterfall der Geschäftsfähigkeit ist die Testierfähigkeit gesondert geregelt[5], die Prüfung in forensisch-psychiatrischer Hinsicht hat jedoch nach denselben Kriterien zu erfolgen, wobei die Freiheit des Willensentschlusses maßgeblich ist.[6]

Die Testierfähigkeit setzt somit einen freien Willen voraus, wobei der Wille als geistiger Akt stets freier Wille ist, der die Möglichkeit hat, unter mehreren verschiedenen Motiven auszuwählen, sogar im Gegensatz zu den Interessen des Individuums. Dies ist dem Menschen als Einzigem gegeben.[7] Eine Abwägung des Für und Wider mit einer sachlichen Prüfung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist dabei unumgänglich.[8]

Die Testierfähigkeit ist die Fähigkeit, ein Testament rechtswirksam zu errichten, zu ändern und aufzuheben, wobei die Vorstellung des Testators notwendig ist, dass er ein Testament errichtet und welchen Inhalt die darin enthaltenen Verfügungen haben sollen. Dieser muss in der Lage sein, die Tragweite seiner Anordnungen zu erkennen, und zwar hinsichtlich der persönlichen als auch wirtschaftlichen Verhältnisse für die Betroffenen. Entsprechendes gilt für die Gründe, die für und gegen die sittliche Berechtigung der Anordnung sprechen.[9] Der Testator muss dabei ohne Einflussnahme Dritter den Inhalt des Testaments selbst bestimmen können.[10] Sollte beispielsweise der Testator bei vorliegender mittelschwerer Demenz auf fremde Hilfe angewiesen und somit in seinem Urteil nicht frei von Einfluss interessierter Dritter sein, spricht vieles für eine Testierunfähigkeit.[11]

Das Gesetz unterscheidet gem. § 2229 Abs. 4 BGB drei Arten von Testierunfähigkeit: die krankhafte Störung der Geistestätigkeit, die Geistesschwäche und die Bewusstseinsstörung, wobei sich die Ausführungen in diesem Artikel schwerpunktmäßig auf den erstgenannten Tatbestand beziehen.

Dies bedeutet somit, dass der Testator unfähig sein muss, die Bedeutung einer testamentarischen Willenserklärung nach Inhalt und Tragweite zu erkennen (Einsichtsvermögen) und nach dieser Einsicht frei zu handeln (freie Willensbestimmung). Dabei muss der Ausschluss der Einsichtsfähigkeit und freien Willensbestimmung auf einer dauerhaften oder vorübergehenden geistigen Insuffizienz beruhen.[12]

[2] Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl., § 2229 BGB Rn 2.
[6] OLG Hamburg, Beschl. v. 10.05.2012, Az. 2 W 96/11.
[7] Philosophisches Wörterbuch, S. 662.
[8] OLG Hamburg, Beschl. v. 10.05.2012, Az. 2 W 96/11.
[9] OLG Frankfurt, Urt. v. 19.02.1997, Az. 20 W 409/94; OLG Hamburg, Beschl. v. 10.5.2012, Az. 2 W 96/11.
[10] Hagena in MüKo BGB, 7. Aufl., § 2229 BGB, Rn 5.
[11] OLG München, Urt. v. 17.7.2013, Az. 3 U 4789/09.
[12] Sieghörtner in Hausmann/Hohloch, Handbuch des Erbrechts, 2. Aufl., S. 367, Rn 14.

III. Die Symptome einer demenziellen Erkrankung und die daraus resultierenden Folgen

Demenzielle Entwicklungen können in jedem Lebensalter auftreten, haben bis zum 80. Lebensjahr aber eine geringe Häufigkeit. Über 85-jährige in den USA sind hingegen zu mehr als 40 % von einer demenziellen Entwicklung betroffen.[13] Es ist damit aber keinesfalls davon auszugehen, dass das gewöhnliche Altern immer mit einer demenziellen Entwicklung einhergeht.[14] Die häufigs...

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