Ging man lange Zeit davon aus, dass auch im Familienrecht der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt und daher insbesondere ein Ausschluss des Zugewinnausgleichs uneingeschränkt zulässig ist, so änderte sich dies mit einer Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2001, wonach Grundrechte aufgrund ihrer Ausstrahlung ins Privatrecht auch für Eheverträge gelten. Es verstoße gegen die allgemeine Handlungsfreiheit und den Gleichheitssatz, wenn vertragliche Lasten einseitig verteilt werden und sich als Folgen einer ungleichen Vehandlungsposition darstellen. Im konkreten Fall hatte sich eine Schwangere ehevertraglich verpflichtet, ihren späteren Ehemann und Kindsvater für den Fall der Scheidung von Unterhaltsansprüchen des erwarteten Kindes teilweise freizustellen. Außerdem gebiete es Art 6 Abs. 2 GG, vertraglichen Abreden der Eltern im Interesse des Kindeswohls Grenzen zu setzen.[11]

In einem weiteren Urteil beanstandete das BVerfG einen vor der Eheschließung geschlossenen Ehevertrag, in dem die Eheleute Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt sowie Zugewinn und Versorgungsausgleich ausgeschlossen hatten. Nach Auffassung des BVerfG indizierte in diesem Fall die besondere Situation, in der sich die Ehefrau als Schwangere, noch dazu mit einem schwerbehinderten Kind aus einer anderen Verbindung, beim Vertragsschluss befunden hatte, dass sie als Vertragspartnerin beim Abschluss des Ehevertrags strukturell unterlegen gewesen sei. Das im konkreten Fall mit dem Ehevertrag befasste Gericht hätte dies zum Anlass nehmen müssen, den gesamten Vertragsinhalt einer umfassenden Kontrolle zu unterziehen und daher der Frage nachgehen müssen, ob der Ehevertrag die Ehefrau, insbesondere unter Berücksichtigung ihrer familiär und wirtschaftlich beengten Situation, einseitig und unangemessen belaste.[12]

In einem weiteren Urteil zum nachehelichen Unterhalt hat das BVerfG weiterhin aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 GG den Grundsatz der Gleichstellung von Familien- und Erwerbsarbeit betont. Seien die Ehegatten bei der Ausgestaltung ihres Familienlebens gleichberechtigt, so seien auch die von ihnen im Rahmen der von ihnen in gemeinsamer Entscheidung getroffenen Arbeits- und Aufgabenzuweisungen erbrachten Leistungen als gleichwertig anzusehen. Dabei komme es nicht auf die Höhe des Erwerbseinkommens oder den wirtschaftlichen Wert der Familienarbeit an. Die von den Ehegatten für die eheliche Gemeinschaft erbrachten Leistungen seien vielmehr unabhängig von ihrer ökonomischen Bedeutung gleichgewichtig. Daher seien die Beträge beider Ehegatten gleich zu gewichten. Dem trügen die Regelungen der § 1360 S. 2 BGB und § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB Rechnung, die die Gleichwertigkeit der Unterhaltsbeiträge normierten.[13]

In einem weiteren zum Versorgungsausgleich ergangenen Beschluss bestätigte das BVerfG diese Rechtsprechung und führte aus, dass beide Ehegatten aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG iVm Art. 3 Abs. 3 GG gleichermaßen an dem in der Ehe erworbenen Vermögen berechtigt seien. Daher dürften die während der Ehe nach Maßgabe der von den Ehegatten vereinbarten Arbeitsteilung erwirtschafteten Versorgungsanwartschaftsrechte nach der Scheidung gleichmäßig auf beide Partner verteilt werden. Der Versorgungsausgleich diene ebenso wie der Zugewinnausgleich der Aufteilung gemeinschaftlich erwirtschaftetem Vermögen der Eheleute, welches nur wegen der in der Ehe gewählten Aufgabenverteilung einem der Eheleute rechtlich zugeordnet sei. Dabei korrespondiere mit der Rechtfertigung des Eingriffs in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition des ausgleichsverpflichteten Ehegatten durch Art. 6 Abs. 1 iVm Art. 3 Abs. 3 GG ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf gleiche Teilhabe an dem in der Ehe erworbenen Vermögen.[14]

Der BGH reagierte auf diese Rechtsprechung mit der sog. Kernbereichslehre. Die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen dürfe nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden könne. Dies sei der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe nicht zumutbar sei. Die Belastungen des einen Ehegatten würde dabei umso schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten umso genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreife.[15]

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